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Bericht

Berliner Kammergericht

Sitzung am 04.09.2006 12:00 Uhr

Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin
(Eingang Kleistpark)

III. Stock Raum 336
Geschäftszeichen 23 U 104/05
Rechtsstreit: Kühne gegen Euroweb Internet GmbH

Gedächtnisprotokoll

Marcel Bartels

Berufungssklägerin und Beklagte in 1.Instanz: Berna-Kühne-Spicer, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Anna Kühne
Berufungsbeklagte und Klägerin in 1.Instanz:
Euroweb Internet GmbH

Vorbemerkung

Dieses Protokoll habe ich in der Nacht zum 5.9.2006 unter Zuhilfenahme meiner stichwortartigen Aufzeichnungen erstellt während des Termins. Dieses Protokoll erhebt keinen Anspruch auf objektive Wahrheit. Selbstverständlich ist meine Wahrnehmung subjektiv. Dieses Protokoll gibt den Verlauf der Verhandlung also nur so unvollkommen wieder, wie ich mich daran beim besten Willen erinnern kann. Erschwerend für die wahrheitsgemäße Berichterstattung kommt hinzu, dass ich die Prozessakten und den vorgerichtlichen Schriftverkehr natürlich nicht einsehen konnte. Falls jemandem Unrichtigkeiten auffallen, die er als störend empfindet, möge er oder sie mir das bitte mitteilen.

Anna Kühne hat in ihrem Weblog auch einen Bericht dazu geschrieben, wie sie das Ende des Rechtsstreites erlebt hat, der, wenn ich das richtig verstanden habe, sie insgesamt etwa 7.000 EUR Gerichtskosten und 2000 Euro Zinsen zusätzlich zur ursprünglichen Abzocke Forderung von 8000 Euro obendrauf gekostet hat.

Protokoll

Um 11:50 Uhr bin ich erschienen und nahm als einziger Zuschauer in einer hinteren Sitzreihe Platz. Vor der Tür des Sitzungssaales im dritten Stock standen zwei Herren in Anzug und Krawatte, Christoph Preuß, RA Berger. Mit mir zusammen erschienen ist Rechtsanwältin Schneider, leger gekleidet. Im Sitzungssaal saß die Protokollführerin. Um etwa zwei Minuten vor zwölf erschien die Berufungsklägerin Anna Kühne, eine junge Frau in langen geblümten Kleid mit auffallend langen Haaren.

Um Punkt zwölf Uhr erschienen die Richter. Da kam der Vorsitzende Richter am Kammergericht Klasse, schon etwas älter mit weißlichem Bart und Brille. Etwas unnatürlich schien mir seine leicht rötliche Gesichtsfarbe. Richterin am Amtsgericht Frau Dr. Willnow sah recht jung aus und war modisch elegant frisiert. Dritter war Herr Richter am Kammergericht Wagner, der ebenfalls gepflegt wirkte und den ich auf etwa 50 Jahre schätzen würde. Alle drei Richter machten einen menschlichen, ausgesprochenen sympatischen Eindruck.

Der vorsitzende Richter begann die Sitzung damit, auf der Seite der Berufsklägerin die Anwesenheit der Parteien festzustellen.

Als die Reihe an die Beklagtenseite kam erschien für die Klägerin noch RA Lang, die Zeitschrift der Spiegel sowie eine Dokumentenmappe unter dem Arm. Der vorsitzende Richter Klasse hielt dann einen Monolog, der in einen 80/20 Vergleichsvorschlag mündete. Richter Klasse erläuterte, dass die Klägerin der ersten Instanz einen Zwei-Drittel zu Ein-Drittel-Vergleichsvorschlag widerrufen hat, nun doch vielleicht ein 80/20-Vergleich annehmbar wäre. Es sei verständlich, dass die Klägerin einer Zwei-Drittel zu Ein-Drittel-Lösung nicht zugestimmt habe, da sie ja womöglich den Hauptteil der Arbeit mit der Einrichtung der Webpräsenz bereits erbracht habe. Anna Kühne sollte demnach für die bei Euroweb in Auftrag gegebene Webseite 80% oder 6300 Euro bezahlen und die Euroweb Internet GmbH auf 20% verzichten. Bis zu diesem Zeitpunkt war der vorsitzende Richter Klasse der einzige, der überhaupt etwas gesagt hatte. Nachdem der Richter den Vergleichsvorschlag unterbreitet hatte, gingen die Parteien zu Gesprächen vor die Tür.

Während die Parteien draußen waren, unterhielten sich angeregt der Vorsitzende Richter Klasse sowie Richterin Frau Dr. Willnow. Vom optischen Eindruck könnte man fast meinen, sie hätten geflirtet. Da die Protokollführerin während dieser Zeit oft den Drucker benutzte und das Geräusch die Unterhaltung überlagerte, konnte ich nicht viel verstehen. Richter Wagner nahm an der Unterhaltung nicht teil. Später zerriss er ein Blatt Papier und beförderte es in den Papierkorb, was die Richterin Dr. Willnow scherzhaft als Beförderung in die Rundablage kommentierte.

Um 12:25 Uhr kamen die Parteien zurück in den Sitzungssaal. RA Lang erläuterte, dass der vorgeschlagene Vergleich aus Sicht der Berufungsbeklagten an der Frage der Verzinsung der Forderungen sowie der Äußerungen im Internet scheiterte. Die Euronet Internet GmbH erwartete von Anna Kühne, auf die Forderungen aufgelaufene Zinsen in Höhe von geschätzten 2000 Euro zu bezahlen sowie dass sie sich mit dem Vergleich dazu verpflichtete, zukünftig jegliche Äußerung über die Euroweb Internet GmbH zu unterlassen sowie die von ihr auf ihrer Webseite publizierten Äußerungen zur Euroweb Internet GmbH zu löschen. Der vorsitzende Richter Klasse machte daraufhin einen neuen Vergleichsvorschlag, nachdem zu den 80% noch 1000 Euro sowie eine Verpflichtung zum Schweigen über die Euroweb Internet GmbH hinzukämen. Insgesamt sollte Anna Kühne also nun für die umstrittene Webpräsenz 7300 Euro zahlen und sich verpflichten, zur Euroweb zukünftig zu schweigen. Richter Klasse erklärte, dass ein Eingriff in die Geschäftstätigkeit nicht ganz ohne sei und auf Anna Kühne da zukünftig möglicherweise ohnehin Ärger zukäme, wenn sie nicht schweigen würde. Nachdem Anna Kühne erklärte, dass sie auf ihr Recht zur Meinungsäußerung nicht verzichten wolle, erklärte RA Lang, dass die Euroweb 10.000 Kunden habe und es da normal sei, dass es da einzelne unzufriedene Kunden gäbe. Er könne da gern Hintergrundinformationen geben. Euroweb sei es aber wichtig, dass die Sachen aus dem Internet verschwinden würden. Richter Klasse erklärte, er verzichte drauf gern, da das für diesen Rechtsstreit nicht relevant sei. Richter Klasse machte statt dessen einen neuen Vergleichsvorschlag: 7000 Euro und eine Unterlassungserklärung. Dazu erklärte er Anna Kühne, so berechtigt ihr Anliegen auch sein möge, sie schade sich selbst. Dazu machte er noch auf das negative Beispiel von Weltverbesserern in der literarischen Vorlage Michael Kohlhaas aufmerksam. So gingen die Parteien erneut aus dem Saal zu Vergleichsverhandlungen.

In dieser Sitzungsunterbrechung konnte ich die fröhlichen Gespräche der Richter untereinander besser verstehen, da die Schriftführerin diesmal nicht lärmend druckte. Trotzdem saß ich einige Meter vom Richtertisch entfernt und so ist wahrscheinlich, dass ich, obwohl weghören schlecht möglich war, nicht alles richtig verstanden habe. Richter Klasse erklärte Richterin Dr. Willnow, dass er kein Internet nutze. Es sei aber wohl eine Krux mit dem Internet, dass da jeder einfach so alle möglichen Sachen schreiben könne. Da kämen Sachen, die könne man heute gar nicht überblicken. Richterin Dr. Willnow erklärte dagegen, sie schaue schon mal, was im Internet so über sie steht. Da hätten schon mal ganz schlimme Sachen über sie gestanden, die völlig Sinn entstellt gewesen seien. Da ging es damals um so Stadtplangeschichten. Als dann auch noch beleidigende Briefe gekommen seien, hätte sie das an den Gerichtspräsidenten, wenn ich das richtig verstanden habe, gegeben, und der habe sich dann darum gekümmert. Richter Wagner erklärte darauf hin, dass er nicht wisse, ob er im Internet vertreten sei, aber gleich mal will er schauen, was über ihn so im Internet steht. Richterin Dr. Willnow erklärte den Herren, dass es auch irgendwelche Tricks gebe, wie man in Suchmaschinen nach oben kommt, dass das ganz gefährlich sei.

Unvermittelt fragte Richterin Dr. Willnow, was die eigentlich für die Webpräsenz haben wollen. Richter Klasse erklärte, so 2000 Euro pro Jahr. Das Internet sei eben ganz schön teuer. Richterin Dr. Willnow gab zu bedenken, dass es dabei wohl darauf ankommt, was man für das Geld so lesitet. Richter Klasse erklärte, dass er das nicht beurteilen könne, weil er über Preisvorstellungen dazu eigentlich gar keine Kenntnis habe. Richterin Dr. Willnow erklärte, sie hätte viele Sachen mit Strato gehabt, da gab es auch öfter mal Ärger. Die Richter fanden Konsens darin, dass alles ganz schön kompliziert sei. So wechselten sie gegen 12:40 Uhr den Gesprächsgegenstand und unterhielten sich nun über ihre Kinder, und wie toll diese die verschiedenen Autos erkennen, da konnte wohl jemand sogar an den Schlußlichtern das Baujahr bestimmen, was auch ganz schön schwierig sei. Richter Klasse erklärte, er würde wohl erkennen, ob das Rücklicht brenne oder nicht, aber anhand dessen das Baujahr bestimmen zu können, das sei schon bemerkenswert. Danach erklärte Richter Klasse, dass Herr Hellwig (oder so ähnlich) lange Vergleiche ablehne, wenn da die Verhandlung zu lange dauere. Um 12:45h kam Anna Kühne kurz herein, ihr Handy holen, sie müsse mal eben mit ihrem Mann telefonieren, es ginge um den Inhalt der Erklärung bezüglich der Äußerungen zur Euroweb Internet GmbH, die wohl so sein soll wie eine Unterlassungserklärung oder eine einstweilige Verfügung. Während Berna Kühne Spicer draussen telefoniert, unterhalten sich die Richter weiter über Belanglosigkeiten, die nicht zum Fall gehören, wie z.B., dass Richterin Dr. Willnow gerne frische Pralinen aus der Konditorei esse.

Um 12:55h kamen die Parteien zurück und erklären, dass Berna Kühne Spicer den Vergleich ablehne, weil keine Einigung bezüglich der zu unterlassenden Äußerungen erzielt werden konnte.

Der vorsitzende Richter Klasse erläuterte sodann die Rechtslage. Es handele sich hier um einen Werksvertrag und die fehlende Abnahme des Werkes, auf welche sich die Berufung gestützt habe, sei durch Billigung implizit erfolgt und könne nicht in Frage gestellt werden, weil Anna Kühne dafür geradezu geschwärmt habe. Zu den geltend gemachten Mängeln erklärte der Richter, dass zwar nicht drauf ankäme, aber auf den Mangel des fehlenden Impressums ging er dann doch ein. Dass das Impressum fehlte, sei schon deshalb kein Mangel, weil Anna Kühne über ihre Webseite lediglich für ihre Dienste werben wollte und deshalb kein Teledienst im Sinne des Teledienstegesetzes vorlag. Doch selbst, wenn man zugunsten der Berufungsklägerin unterstelle, dass objektiv Mängel vorgelegen hätten, so hätte Anna Kühne da erst mit einer Fristsetzung Nachbesserung verlangen müssen.

Da der Berufungsklage keinerlei Erfolgsaussichten beschieden werden könnten, hat Richter Klasse Anna Kühne angeraten, die Berufungsklage zurückzunehmen und sich so die Urteilsgebühren zu sparen. Als Hinweis gab Richter Klasse noch zu verstehen, dass man heute da nur sitze, weil die Gerichte überlastet seien und deshalb ein Hinweis nach § 522 auf die Aussichtslosigkeit nicht rechtzeitig erfolgen konnte. In Anbetracht der Alternative, ein Urteil mit einer Abweisung der Berufungsklage bezahlen zu müssen oder die Berufungsklage unter Einsparung einiger Kosten zurückzunehmen, hat Anna Kühne die Berufungsklage zurückgenommen

Berlin, den 05.09.2006
Marcel Bartels

Quelle: http://www.mein-parteibuch.de/2006/09/05/eigentlich-gar-keine-kenntnis/

Links: Bericht: Ich sah keinen Grund für Mißtrauen und unterschrieb - Euroweb wird die Geschichten anders bewerten und meinen, vieles stimmt nicht (RS).

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 11.01.07
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