Buskeismus

Fall Gysi

 

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Original

Hauptabteilung XX/OG Berlin, 7. Dez. 1978
Lo/p

 

Bericht

über ein geführtes Gespräch mit Rechtsanwalt Dr. Gysi

 

Am 6. 12. 1978 wurde mit Gen. Gysi in seiner Wohnung ein weiteres Gespräch geführt.

Er berichtete über die am 2. 12. 1978 erfolgte Aussprache mit Bahro in der Haftanstalt Bautzen, deren Inhalt er ihm Extrakt auf Tonband sprach (Tonbandabschrift siehe Anlage)

In Ergänzung zu diesem Bericht teilte er folgendes mit:

- Die Unterhaltung mit Bahro erfolgte unter 4 Augen und wirkte sich seiner Meinung nach positiv aus. Bahro gab sich in der Unterhaltung gelöster als sonst, erzählte mehr, besonders unter dem Gesichtspunkt der von ihm, beabsichtigten Verhaltensweisen und Zielstellung.

- Die während des Gespräches von Bahro auf den Zettel des Gen. Gysi aufgeschriebenen Notizen - "Ich habe eine Meldung nach drüben lanciert, die eine Berichtigung der ADN-Nachricht über meine Verurteilung darstellt" und "ich hoffe, das finanzielle Problem für die Kinder gelöst zu haben - brauche also für den Unterhalt der Kinder im Strafvollzug durch körperliche Arbeit - nicht zu sorgen; beziehen sich nach Einschätzung von G. auf den aus der Haft geschmuggelten Brief von Bahro ("Spiegel" Nr. 44/78, 'Brief aus der Haft')

- die Einbeziehung eines Häftlings in die finanziellen Angelegenheiten betreffs der durch die "Europäische Verlagsanstalt" Köln für Bahro hinterlegten Gelder, in dem er einen Häftling beauftragt hat oder beauftragen wird, durch Vollmacht von ihm in den Besitz dieser Summe oder eines Teils zu kommen und an die Familie des Bahro zu übergeben.

Zur Geldangelegenheit gab Bahro später zu verstehen, daß er von dem illegalen Schritt Abstand nehmen will, wenn Gen. Gysi offizielle Verhandlungen einleiten könnte.

- Gen. Gysi wurde von Bahro informiert, daß die geschiedne Ehefrau, ... mit Tochter am 30. 11. 1978 in Bautzen waren. In der Unterhaltung forderte ...ihren geschiedenen Ehemann auf, die Dienste des Rechtsanwalts Gysi nicht mehr in Anspruch zu nehmen, da er Bahro nicht beeinflußt hätte, daß er nach der Strafverbüßung in der DDR bleibe. Bahro erklärte dazu, diesen Vorschlag nicht zu akzeptieren und sich von Rechtsanwalt Gysi auch weiterhin anwaltlich beraten zu lassen.

- Über ... hat er erfahren, daß ihm "sein Freund" ... geschrieben hat. Diesen Brief hat er nicht erhalten.

Abschließend teilte Gen. Gysi mit, daß er hinsichtlich der Korrespondenz mit ... und ... eine Eingabe an den Leiter des Strafvollzuges machen wird.

Alle anderen Forderungen Bahros wird er mit uns abstimmen, bevor er diesbezügliche Schritte einleitet.
Als Verhandlungspartner schlug er Staatsanwalt Gläßner vor.

Gen. Gysi beabsichtigt, im Februar oder März 1979 Bahro erneut aufzusuchen.

Es wird vorgeschlagen, das weitere Vorgehen von Rechtsanwalt Gysi mit der Hauptabteilung IX/2 zu beraten.

Lohr
Major

 

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 21.07.06
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