Buskeismus


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Landgericht Hamburg

U R T E I L

Im Namen des Volkes

Geschäfts-Nr.:
324 O 512/04

Verkündet am:
24.09.2004

xxxx, JAe
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

In der Sache

Peter Porsch

- Anttragsteller -

Prozessbevollmächtigte
Rechtsanwälte
Peter-Michael Distel
Sven Krüger

gegen

Verlag "Freie Presse" aus Chemnitz
und
"Sächsische Zeitung" aus Dresden
Chefredakteur Heinz Eggert

- Antragsgegnerin -
Prozessbevollmächtigte Rechtsanwälte xxxx

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24
auf die mündliche Verhandlung vom 17. 09. 2004 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske
den Richter am Landgericht xxxx
den Richter xxxx

für Recht:

  1. Die einstweilige Verfügung vom 30. August 2004 wird hinsichtlich der Ziffer 1.2. aufgehoben und der ihr zugrunde liegende Antrag zurückgewiesen, im Übrigen wird die einstweilige Verfügung bestätigt.
     

  2. Von den Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsteller 3/10 und der Antragsgegnerin 7/10 zur Last.
     

  3. Das Urteil ist für die Antragsgegnerin vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Kostenvollstreckung durch die Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 30. August 2004, durch die der Antragsgegnerin die Verbreitung mehrerer Äußerungen über den Antragsteller und dessen (angebliche) Stasi-Verbindungen verboten worden war.

Der Antragsteller ist Universitätsprofessor sowie Fraktionsvorsitzender und Landesvorsitzender der PDS. Zur Zeit der angegriffenen Berichterstattung war er Spitzenkandidat der PDS im sächsischen Landtagswahlkampf. Der Antragsteller stammt aus Österreich und siedelte 1973 in die DDR über. Er nahm 1979 die DDR-Staatsbürgerschaft an und trat 1982 der SED bei. In den 70iger und 8Oiger Jahren gab der Antragsteller Sommerkurse als Deutschlehrer in Polen. Er ist mit Regine Thüm verheiratet, die er 1966 in Jena kennen lernte. Im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die angebliche Stasi-Mitarbeit des Antragstellers wurde sein Dienstverhältnis als Professor an der Universität Leipzig außerordentlich gekündigt.

Die Antragsgegnerin verlegt die Tageszeitung "Sächsische Zeitung" aus Dresden. In deren Ausgabe vom 9.8.2004, die auch im Internet verbreitet wurde, wurde über den Antragsteller unter der Überschrift ,Porsch unter Stasi-Verdacht" u.a. folgendes berichtet:

Der Einleitungssatz, der drucktechnisch hervorgehoben war, lautete:

"Der PDS-Spitzenkandidat zur Landtagswahl, Porsch sieht sich massiven Stasi-Vorwürfen ausgesetzt: "Er soll als langjähriger IM sogar seine damalige Freundin und jetzige Ehefrau bespitzelt haben." (der Kursivdruck hebt die Textteile hervor, die Gegenstand dieses Verfahrens sind).

Danach hieß es wie folgt:

"Seit Mai 1970 arbeitete der heutige sächsische PDS Spitzenkandidat Porsch mit der Auslandsspionage der DDR Staatssicherheit zusammen, berichtet das Münchener Magazin "Focus."

In der Ausgabe der "Sächsischen Zeitung" vom 11.8.2004 hieß es unter der Überschrift "Marxistische Duftnote, IM-Verdacht: Porsch sieht nicht ein, warum er sich unangenehme Fragen stellen lassen soll" über den Antragsteller:

"Die Arbeit des Inoffiziellen Mitarbeiters der Hauptverwaltung Aufklärung (HMA) hatte sich offenbar gelohnt. "Durch den Einsatz des IM konnten wertvolle Hinweise zur Aktivität negativer Schriftsteller der DDR [...] erarbeitet werden", schrieb Oberstleutnant Friedheim Opelt aus Leipzig am  20. März 1984 nach Berlin. Und weiter: "Dem IM wurde der Dank für seine gute Einsatzbereitschaft und die qualitativ guten Informationen ausgesprochen.

Bei dem IM mit dem Decknamen "Christoph", den sich die Leipziger Staatsicherheit 1984 bei den Kollegen der HVA für kurze Zeit ausgeliehen hatte, soll es sich nach den Recherchen der Birthler-Behörde um den sächsischen PDS -Fraktionsvorsitzenden Porsch handeln. Am 28. Mai 1970 legte die HVA die IM-Akte an. Damals lebte der gebürtige Österreiocher in Berlin, wo er an der Freien Universität arbeitete."

Keine Hinweise auf Manipulationen in der Akte.

1984 war Porsch bereits in der DDR. Ausgerechnet in seiner Wohnung fand im März parallel zur Buchmesse eine Lesung "feindlich-negativer Schriftsteller" unter "Beteiligung von BRD-Personen" statt. Organisiert hatte die Altemativ-Veranstaltung der Leipziger-Szene Regine Thüm damalige Freundin und heutige Frau.

So wohl für die DDR-Schriftsteller als auch für die westdeutschen Journalisten war die Teilnahme an der Lesung nicht ohne Risiko. Die Stasi bekam natürlich Wind von der Sache. Die Leipziger Bezirksverwaltung fand rasch heraus, dass Porsch bei der HVA registriert war und bat um "Nutzung des P." für die Operative Personenkontrolle (OPK) "Organisator". Ein Stasi-Offizier traf sich daraufhin mit dem IM, der über den Verlauf der Lesung berichtete und die Namen der Teilnehmer weitergab, "Christoph" berichtete auch, dass er darum gebeten habe, solche Veranstaltungen in der gemeinsamen Wohnung nicht mehr zu organisieren.

Die Akte enthält keine Unterschrift, was nach Aussage der Birthler-Behörde kein Beleg dafür ist, dass es eine Zusammenarbeit nicht gab. Christian Booß, der Sprecher der Behörde, weist in einem Radio-lnterview süffisant daraufhin, dass es ihn wundere, dass Porsch, der immerhin freiwillig in die DDR ging und dort auch SED-Parteisekretär war, nun an der ordnungsgemäßen Aktenführung seiner damaligen Genossen Zweifel hege. Hinweise auf Manipulationen oder Fälschungen gebe es jedenfalls nicht"

Und weiter heißt es in dem Artikel:

"Den Vedacht, der freiwillige Umzug in die DDR könne durch eine drohende Entdeckung als Auslandsagent der HVA motiviert gewesen sein, weist Porsch zurück."

In der zweiten Hälfte des Artikels kommt der Antragsteller mehrere Absätze lang zu Wort.

Der Antragsteller wehrt sich gegen die oben in Kursivdruck wiedergegebene Berichterstattung. Nachdem er die Antragsgegnerin unter dem 17.8.2004 erfolglos abgemahnt hatte, hat er unter dem 26.8.2004 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, die mit Beschluss der Kammer vom 30.8.2004 (Bl. 7 ff. d.A.) antragsgemäß ergangen ist.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin, den sie wie folgt begründet:

Die angegriffenen Aussagen entsprächen der Wahrheit, jedenfalls handele es sich bei ihnen um eine zulässige Verdachtsberichterstattung:

Der Antragsteller sei in den Akten der "Hauptverwaltung Aufklärung" ("HVA") als "inoffizieller Mitarbeiter mit dem Decknamen "Christoph" registriert. Dies belege eine Karteikarte mit der Reg, Nr. xxxx die am 28.5.1970 mit dem Decknamen "IM Christoph" angelegt worden sei (Anlagenkonvolut Ag 2) sowie zahlreiche weitere Dokumente. So habe die Bezirks Verwaltung (BV) Leipzig der Staatssicherheit am 2.3.1984 bei der HVA Abt. XII per Telegramm angefragt, ob man "Christoph" operativ nutzen könne, weil in dessen Wohnung am 10.3.1984 eine Lesung "feindlich-negativer Schriftsteller" geplant sei. Die HVA XII habe daraufhin telefonisch mitgeteilt, dass der Antragsteller "positiv erfasst sei und zuverlässig arbeite" (alles Anlagenkonvolut Ag 2). Danach habe der Oberleutnant Opelt mit dem Antragsteller Kontakt aufgenommen und sich mehrfach mit ihm - wie sich aus seinen Berichten vom 11.3., 12.3. und 14.3. ergebe - getroffen. Aus den Berichten gehe hervor, dass der Antragsteller über ein Erkennungswort verfügt, Aufträge entgegengenommen und bereitwillig über die Lesung am 10.3.1983 Auskunft gegeben habe, so dass ihm die BV Leipzig anschließend fur seine "erarbeiteten Informationen", die "hohen operativen Wert" besessen hätten, gedankt habe (ebenfalls Anlagenkonvolut Ag 2). Nach der Lesung sei sodann eine sog. "OPK xxxx" angelegt worden, die sich auf die Ehefrau des Antragstellers Regine Thüm,  bezogen habe, und zu der im Maßnahmenplan der "Einsatz eines IM der HVA im Wohn- und Freizeitbereich ..." vorgesehen gewesen sei. Hierbei habe es sich um den Antragsteller gehandelt, der im Folgenden weiter für das Ministerium für Staatssicherheit in Berlin gearbeitet habe. Dies folge aus einem Bericht des Oberleutnants Opelt vom 20.9.1984 zur OPK xxxx und dem xxxx "Christoph" wo es - unstreitig - heißt, dass der "IM in diese Problematik rechtzeitig eingewiesen worden sei". In einem weiteren Bericht von Opelt vom 28.9.1984, dem ein Tonbandbericht des Antragstellers zugrunde liege, heiße es zudem: "... nach der Lesung bat ich ... so etwas nicht noch einmal zu organisieren, weil die Teilnahme westlicher Journalisten an privaten Veranstaltungen eigentlich gegen die Bestimmungen der "Agredidierung" steht und wir uns selbst durch eine solche Einladung strafbar machen könnten." Ebenfalls am 28.9.84 habe der "IM "Christoph" mitgeteilt, dass zum 35. Jahrestag der DDR keine "Störungen künstlerisch-negativer Personen" zu erwarten seien. Der Abschlussbericht von Oberleutnant zur OPK xxxx schließe schließlich mit der Bemerkung, dass der IM eine "positive politische Beeinflussung der ... erreicht habe." (sämtliche Berichte hierzu im Anlagenkonvolut Ag 2). Auch ein Bericht im "OPK xxxx" über eine Lesung des Dichters Benito Wogatzki am 12.3.1985 in der Gudenberg-Lesestube sei vom Antragsteller verfasst worden (wiederum Anlagenkonvolut Ag 2). Dass es sich tatsächlich so zugetragen habe und vor allem, dass der Bericht nur vom Antragsteller handeln könne, folge aus der eidesstattlichen Versicherung von  xxxx (Anlage AG 3 B). Schließlich heiße es in einem "Auskunftsbericht zum Auslandskader" über den Antragssteiler vom 21.6.1988 (Anlagenkonvolut Ag 2), dass er in der Abteilung XII für die HVA XII "aktiv erfasst" sei; außerdem werde vermerkt, dass die erfassende Dienststelle mitgeteilt habe, dass der NSW-Auslandskaderbestätigung zugestimmt werde, aber aus "op. Gründen kein Einsatz in einem NATO-Land" erfolgen dürfe. Daraus folge, dass der Antragsteller für die HVA, mithin die Auslandsspionage, aktiv tätig gewesen sei. Die als Anlagenkonvolut Ag 2 vorgelegten Unterlagen stammten von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit ("BStU") und lägen dieser im Original vor, wie sich aus dem Stempel und dem Begleitschreiben vom 16.8.2004 (Anlage Ag 3) ergäbe.

Zur Glaubhaftmachung, dass die von Oberleutnant Opelt verfassten Berichte der Wahrheit entsprechen, hat die Antragsgegnerin eine eidesstattliche Versicherung des Korrespondenten der Nachrichtenagentur xxx vom 3.9.2004 vorgelegt, auf die wegen ihres Inhalts verwiesen wird.

Im Übrigen meint die Antragsgegnerin, dass sie zur Verbreitung der streitgegenständlichen Äußerungen schon deswegen berechtigt gewesen sei, weil der Antragsteller in seinen Pressemirteilungen selbst die Vorwürfe hinsichtlich seiner Stasi-Mitarbeit wiederholt habe. Dann dürfe sie diese Vorwürfe auch verbreiten. In ihrer Berichterstattung vom 9.8.2004 habe sie sich ausdrücklich auf die Berichterstattung des "Focus" bezogen und die dortigen Rechercheergebnisse unter Verwendung "eigener Rechercheergebnisse" benutzt. Sie habe sich aber die streitgegenständlichen Äußerungen nicht zueigen gemacht, sondern sie lediglich als einen bestehenden Verdacht weitergegeben. Ihr Redakteur xxxx habe im Übrigen den Antragsteller in einem Interview am 7.8.2004 im Einzelnen mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen konfrontiert und auch einer Pressekonferenz am 8.8.2004 beigewohnt, in welchem der Antragsteller seine Erwiderungen vom Vortag sinngemäß wiederholt habe. Diese - wiederholten - Einlassungen des Antragstellers habe sie vollständig und ohne Entwertung wiedergegeben (vgl. eidesstattliche Versicherung von xxxx Ag 13), daher handele es sich jedenfalls um eine zulässige Verdachtsberichtserstattung. Auch der geäußerte Verdacht, dass der Antragsteller in die DDR übergesiedelt sei, weil er Auslandsagent des HVA gewesen sei und eine Enttarnung gedroht habe, werde durch die vorgelegten Unterlagen belegt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss vom 30.8.2004 aufzuheben und den Antrag auf dessen Erlass zurückzuweisen.

Der Antragsteiler beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Er trägt - zum Teil unter Verweis auf seinen tatsächlichen wie rechtlichen Vortrag in den Parallelverfahren 324 0 506/04 sowie 324 0 501/04 (Anlagenkonvolut Ast. 9 und 10) - vor:

Er habe nie wissentlich mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet, weder für die Auslandsspionage noch für andere Stasi-Stellen. Er habe also auch nicht für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) spioniert. Er habe keinerlei bewussten telefonischen Kontakt mit der HVA gehabt, ihm sei auch kein Erkennungswort mitgeteilt worden, das der Kontaktaufnahme mit Stasi-Mitarbeitern hätte dienen können. Ebensowenig habe er jemals einen Auftrag von Stasi-Mitarbeitern zur Ausforschung irgendwelcher Sachverhalte oder Personen angenommen. Er sei auch nicht auf den Westjournalisten xxxx "angesetzt" worden. Er habe lediglich zu Zeiten der Leipziger Buchmesse im Jahr 1984 einer Person, die sich ihm als Kriminalbeamter ausgegeben habe, verschiedene Fragen zu der Lesung, die in seiner Wohnung mit der Schriftstellerin Christa Moog stattgefunden habe, beantwortet; er habe weder gewusst noch einen Verdacht gehabt, dass es sich bei diesem Kriminalpolizisten um einen Stasi-Mitarbeiter gehandelt habe. Die Lesung sei im Übrigen nicht geheim gewesen; er habe mit vielen Personen darüber gesprochen; er könne nicht ausschließen, dass er dabei "abgeschöpft" worden sei. Er habe schließlich auch niemals einen in der ersten Person verfassten Bericht zur Verwendung für die Stasi geschrieben, formuliert oder verfasst

Auf die eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers (Anlagenkonvolut Ast. 9, darin Ast 13; Anlagenkonvolut 10, darin Ast 10} wird im Hinblick auf das Vorstehende verwiesen.

Der Antragsteller trägt weiter vor: Die präsentierten Auszüge aus den Stasi-Unterlagen seien den Vorschriften des StUG zuwider von der Birthler-Behörde an die Presse herausgegeben worden und seien daher von vornherein als Beweismittel für seine - des Antragstellers - angebliche Stasi-Mitarbeit nicht geeignet und auch nicht gerichtlich verwertbar. Aber selbst wenn man diese verwerten wollte, so ergäbe sich aus diesen Aktenauszügen nichts anderes: Das MfS habe Anfang der siebziger Jahre ohne sein Wissen den Kontakt zu ihm aufgenommen. So habe ihn der ehemalige Mitarbeiter des MfS xxxx dem Pseudonym xxxx, und ohne sich als Mitarbeiter des MfS erkennen zu geben, abgeschöpft. Der Deckname "Christoph" sei lediglich im Rahmen einer Operativen Personenkontrolle (OPK) und ohne sein Wissen verwendet worden (vgl. eidesstattliche Versicherung Krautzberger, Anlage Ast. 11). Unter dem Decknamen "Christoph" seien Informationen verschiedener wissentlicher und unwissentlicher Informanten gesammelt worden. Es habe im Übrigen eine nicht überschaubare Zahl von Erfassungen von Bürgern der DDR in den Karteien des MfS gegeben, ohne dass diese jemals davon Kenntnis erlangt hätten. Die Erfassung als IM "Christoph" in einer Karteikarte der HVA besage daher für seine angeblich wissentliche Zusammenarbeit mit der Stasi nichts. Soweit es in einer Aktennotiz von Oberleutnant Opelt vom 5.3.1984 heiße, er sei "positiv erfasst", so habe eine solche positive Erfassung u.a. dann vorgelegen, wenn sich die betreffende Person dem Staat gegenüber loyal und gesetzestreu verhalten habe. Dies habe auf ihn zugetroffen. Daraus folge indessen nichts über sein Wissen um sein "Erfasstsein". Auch die Formulierung, dass er "zuverlässig gearbeitet habe" weise nicht auf eine wissentliche Zusammenarbeit mit dem MfS hin; vielmehr hätten auch die Informationen einer ohne deren Wissen abgeschöpften Person einer ständigen Überprüfung durch die Stasi auf ihre inhaltliche Richtigkeit unterlegen und wenn sie sich als wahr und brauchbar erwiesen hätten, habe die Stasi dies "zuverlässig arbeiten" genannt. Dies sei auch in seinem Fall so gewesen. Soweit es in einem Hinweis des Oberleutnants Opelt geheißen habe, dass "der IM "Christoph" objektiv nicht anrufen konnte, weil sich die Telefonnummer der Abteilung des Gesprächspartners geändert habe", so sei es eine ganz und gar übliche Arbeitsweise des MfS gewesen, auch unwissentlich abgeschöpften Mitarbeitern Deckadressen und auch Telefonnummern zur Kontaktaufnahme mitzuteilen. Zudem sei es auch möglich, dass sich der HVA-Mann durch den Hinweis auf seine telefonische Nichterreichbarkeit nur dafür habe entschuldigen wollen, dass er von einem für die Stasi interessanten Sachverhalt, nämlich der Lesung mit Moog keine Kenntnis habe. Auch aus den Treffberichten folge nichts. Denn in keinem Bericht gebe es einen Hinweis darauf, dass die Treffen mit ihm - dem Antragsteller - mit dessen Wissen um die Identität seines Gesprächspartners verabredet worden seien. Dass die in Ich-Forrn verfassten Berichte nicht von ihm, dem Antragsteller, stammen könnten, erkenne man schon daran, dass sich in ihnen zahlreiche orthographische und grammatikalische Schwächen fänden, die einem Sprachwissenschaftlicher kaum entsprächen. Soweit die BV Leipzig schließlich die durch ihn angeblich erlangten Ermittlungsergebnisse "hochgejubelt" habe, so sei dies in DDR-Zeiten zwischen Stasimitarbeitern gegenüber anderen Stasi-Stellen nichts Ungewöhnliches gewesen. Und dass man ihm "Dank" ausgesprochen habe, spreche auch nicht gegen seine - des Antragstellers - Darstellung, da auch ein Kriminalbeamter einem Bürger, der eine Aussage gemacht habe, dafür danken könne. Wenn von einer "positiven Beeinflussung" seinerseits geschrieben worden sei, so könne dies so gemeint gewesen sein, dass man ihm aus krimimalpolizeilicher Sicht aufgezeigt habe, welche Konsequenzen ihm bei wiederholten Handlungen wie der Abhaltung einer Lesung mit westdeutschen Journalisten drohen könnten, damit er sein Verhalten entsprechend ändere bzw. seine Lebenspartnerin auf dieses falsche Verhalten hinweise.

Auf den Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen des Oberleutnants Opelt (Anlagenkonvolut Ast, 9, darin Ast. 1 0 und 1 1) im Hinblick auf das Vorstehende wird verwiesen.

Der Antragsteller erklärt sich mit Nichtwissen darüber, dass die Stasi ihn als NSW-Auslandskader mit der Einschränkung, dass kein Einsatz in einem Nato-Mitgliedsland erfolgen dürfe, bestätigt habe.

Zulässige Verdachtsäußerungen seien die angegriffenen Äußerungen schon deshalb nicht, weil sie entweder nicht als Verdacht daherkämen oder aber ihnen jedenfalls keine hinreichende Recherche der Antragsgegnerin zugrunde liege. Die eidesstattliche Versicherung des Journalisten xxxx stamme nicht von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin, sondern von einem AP-Korrespondenten, der die Recherche der Antragsgegnerin nachgeholt habe. Perfide sei es, wenn ihm die Antragsgegnerin vorhalte, die streitgegenständlichen Behauptungen selbst verbreitet zu haben, denn wie solle er - ohne auf diese Bezug zu nehmen - auf diese reagieren können.

Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

l.

Die einstweilige Verfügung vom 30. August 2004 war nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung vom 17.9.2004 hinsichtlich der Ziffern 1.1. und 3. zu bestätigen (dazu unten 1.), hinsichtlich der Ziffer l. 2. (dazu unten 2.) dagegen aufzuheben.

1.     Dem Antragsteller steht der geltend gemachte und in der angegriffenen einstweiligen Verfügung unter den Ziffern 1.1. und l.3. tenorierte Unterlassungsanspruch gemäß §§  823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 (analog) BGB in Verbindung mit seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu. Denn die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers. Die Antragsgegnerin hat weder den Wahrheitsgehalt der in Rede stehenden Äußerungen glaubhaft gemacht (im Folgenden a)) noch hat sie - sollte es sich bei den Äußerungen nicht um Behauptungen, sondern lediglich um das Berichten über einen bestehenden Verdacht handeln - insoweit die Voraussetzungen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung eingehalten (im Folgenden b)). Es kann daher offen bleiben, wie die Äußerungen letztlich rechtlich einzuordnen sind. Im Einzelnen:

a)     aa) Dass die von der Antragsgegnerin verbreiteten und mit einstweiliger Verfügung der Kammer unter Ziffer 1.1.a) und b) und Ziffer l.3. verbotenen Äußerungen, der Antragsteller solle als langjähriger IM sogar seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt haben, er habe seit Mai 1970 mit der Auslandspionage der DDR-Staatssicherheit zusammen gearbeitet und sein Umzug in die DDR könne durch eine drohende Entdeckung als Auslandsagent des NVA motiviert gewesen sein, ehrenrührig für den Antragsteller sind, also geeignet sind, ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

        bb) Die insoweit darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastete Antragsgegnerin hat den Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe nicht glaubhaft machen können. Dass die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die Wahrheit der Äußerungen bei der Antragsgegnerin liegt, folgt aus der in das Privatrecht transponierten Beweislastregel des § 186 StGB, wonach der Verbreiter einer ehrenrührigen Tatsachenäußerung den Tatbestand der üblen Nachrede schon dann erfüllt, wenn die Äußerung nicht erweislich wahr ist.

        Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast mag lediglich im Hinblick auf die - für die zivilrechtliche Beurteilung ebenfalls entsprechend heranzuziehende - Regelung in § 193 StGB sowie im Hinblick auf die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierte Pressefreiheit anders vorzunehmen sein, wenn der Verbreiter der angegriffenen Äußerung in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. Dies ist vorliegend indessen zu verneinen. In Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt ein pressemäßiger Verbreiter nur dann, wenn die von ihm verbreitete Äußerung eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft und er vor Aufstellung oder Verbreitung der Äußerung hinreichend sorgfältige Recherchen über deren Wahrheitsgehalt angestellt hat (BGH, Urt. v. 30. 1. 1996, NJW 1996, S. 1131 ff., 1133). Hintergrund dieser Regelung ist es, dass ein angemessener Ausgleich zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen einerseits und der Äußerungs- und Berichterstattungsfreiheit andererseits hergestellt werden muss. Daher ist im Wege der Güterabwägung zwischen den persönlichkeitsrechtlichen Belangen des durch die Berichterstattung Betroffenen einerseits und den durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Presse andererseits zu ermitteln, ob eine Veröffentlichung in rechtswidriger Weise die Belange des Betroffenen beeinträchtigt (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rdnr. 5.51). Danach ist zu berücksichtigen, dass ein berechtigtes Interesse der Presse auch an der Verbreitung nicht erweislich wahrer Tatsachenäußerungen bestehen kann, sofern nicht feststeht, dass sie unwahr sind oder ihre Unwahrheit dem Verbreiter sogar bekannt ist. Die Unerweislichkeit der Wahrheit muss jedoch bei der Abwägung der beiderseitigen Rechte und Interessen ins Gewicht fallen. Da die Wahrheit oder Unwahrheit einer Äußerung zunächst oft ungewiss ist und sich häufig erst als Ergebnis eines Diskussionsprozesses oder einer gerichtlichen Klärung herausstellt, ist, um der Äußerungsfreiheit auf der einen Seite und dem Persönlichkeitsschutz auf der anderen Seite hinreichend Rechnung zu tragen, daher bei der Abwägung zu berücksichtigen, ob die Presse im jeweiligen Fall vor der Veröffentlichung von den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Erforschung des Sachverhaltes in hinreichendem Maße Gebrauch gemacht hat, sich die Berichterstattung also auf eine sorgfältige Recherche gründet. Wenn dies der Fall ist und die angegriffene Äußerung eine für die Meinungsbildung relevante Thematik betrifft, so kann sich der Verbreiter auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen mit der Folge berufen, dass die Äußerung, obgleich nicht erweislich wahr oder gar unwahr, nicht rechtswidrig verbreitet worden ist mit der Folge, dass nunmehr der Betroffene im Streit um die Verpflichtung zur Unterlassung der Äußerung die Unwahrheit der Äußerung darzulegen und zu beweisen hat; ist hingegen den Sorgfaltsanforderungen - für deren Einhaltung die Presse darlegungs- und beweisbelastet ist - nicht genügt worden, so wirkt sich dieses zu Lasten der Presse aus (vgi. BGH, Urt. v. 12. 5. 1987, NJW 1987, S. 2225 ff., 2226 f.; BGH, Urt. v. 30. 1. 1996, NJW 1996, S. 1131 ff., 1133).

        Dies zugrunde gelegt, kann sich die Antragsgegnerin für die in Rede stehenden Äußerungen nicht mit Erfolg auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. Denn es fehlt jedenfalls an einer vor Verbreitung der angegriffenen Äußerungen durchgeführten hinreichend sorgfältigen Recherche über deren Wahrheitsgehalt. Die Antragsgegnerin kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie sich in ihrer Berichterstattung vom 9.8.2004 ausdrücklich auf die Berichterstattung des "Fosuc" bezogen und die dortigen Rechercheergebnisse benutzt habe. Die Recherche eines anderen Presseorgans kann eine eigene Recherche nicht ersetzen; wer aus anderen Medien "abkupfert", kommt nach ganz herrschender Auffassung seiner Recherchepflicht nicht nach (vgl. Prinz/Peters, Medienrecht, Rd. 280 m.w.N.). Dass die Antragsgegnerin vor Abfassung des Artikels vom 9.8.2004 , Porsch unter Stasi-Verdacht" indessen eine eigene hinreichende Recherche betrieben hat, ist nicht ersichtlich. Die Einholung einer Stellungnahme des Antragsteilers am 7.8. und 8.8.2004 reicht für die Verbreitung der in Rede stehenden Äußerungen schon deswegen nicht aus, weil der Antragsteller deren Wahrheitsgehalt gerade bestritten hat, indem er ausgeführt hat, er habe nie mit der Stasi zusammengearbeitet, jedenfalls nicht wissentlich. Die veröffentlichten und angegriffenen Äußerungen, der Antragsteller solle seine jetzige Frau bespitzelt haben und er habe seit 1970 mit der Auslandsspionage der Stasi zusammengearbeitet bzw. sei Auslandsagent der HVA gewesen, wodurch auch sein Umzug in die DDR motiviert gewesen sein könnte, werfen indessen den zwingenden Eindruck ab, der Antragsteller habe dies bewusst getan. Dem Wort "bespitzeln" ist das Wissenselement immanent; aber auch eine Zusammenarbeit mit der Stasi setzt das Wissen voraus, mit wem man zusammen arbeitet. Schließlich kann seiner Enttarnung als "Auslandsagent der HVA" durch einen Umzug in die DDR nur entgehen wollen, wer auch weiß, dass er überhaupt "Auslandsagent der HVA" ist. Eine eigene sonstige, vor dem 9.8.2004 stattgefundene Recherche hat die Antragsgegnerin indessen nicht vorgetragen. Die von der Birthlerbehörde übersandten Unterlagen (Anlagenkonvoiut Ag 2), auf deren Inhalte sich die Antragsgegnerin in erster Linie für die Richtigkeit der hier in Rede stehenden Äußerungen stützt, hat sie nach ihrem eigenen Vortrag erst nach der Veröffentlichung der streitigen Berichterstattung, nämlich frühestens am 16.8.2004 (vgl. das Anschreiben der BStU vom 16.8.2004, Anlage AG 3, auf welches sich die Antragsgegnerin berufen hat) erhalten, so dass sich die Antragsgegnerin auf diese Unterlagen zur Begründung, sie habe bei Abfassung der Artikel vom 9.8. und 11.8.2004 in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, nicht mit Erfolg berufen kann. Auch die Befragung des ehemaligen Oberleutnants Opelt die der freiberuflich tätige Korrespondent Wendt ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung vom 3.9.2004 (Anlage Ag 3A) vorgenommen hat, fand erst am 23.9.2004 statt, so dass sie ebenso wenig belegen kann, dass die Antragsgegnerin die gebotenen publizistischen Sorgfaltspflichten eingehalten habe.

        Nach allem verbleibt es daher bei der aus § 186 StGB abzuleitenden Regel, wonach die Antragsgegnerin darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastet hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes der mit Ziffer l. 1 und 3 der angegriffenen einstweiligen Verfügung der Kammer verbotenen Äußerungen ist.
Diese Glaubhaftmachung ist der Antragsgegnerin nicht gelungen. Im Einzelnen:

       (1)   Zunächst ergibt sich aus dem zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt, wonach sich der Antragsteller im März 1984 zweifach mit dem Oberleutnant Opelt im Hotel xxxx getroffen hat und diesem über die Lesung mit Moog, die in der Wohnung seiner damaligen Lebensgefährtin und heutigen Ehefrau stattgefunden hat, berichtet hat, nicht die Wahrheit der in Rede stehenden Äußerungen. Denn - wie bereits ausgeführt - insinuieren diese eine wissentliche Zusammenarbeit des Antragstellers mit der Stasi. Eine wissentliche Zusammenarbeit mit der Stasi hat der Antragsteller indes an Eides bestritten und versichert auch hinsichtlich der Treffen mit Oberleutnant Opelt eidesstattlich, dass dieser sich ihm gegenüber stets als Kriminalbeamter vorgestellt und ausgewiesen habe, was er ihm auch geglaubt habe. Für eine angeblich langjährige - wissentliche - Zusammenarbeit des Antragstellers mit der Stasi bzw. dafür, dass sein Umzug in die DDR dadurch motiviert gewesen sein könnte, bietet der unstreitige Sachverhalt erst recht keine Grundlage.

        (2)   Ebensowenig reicht zur Glaubhaftmachung der Umstand aus, dass die Birthler-Behörde die den Antragsteller belastenden  Stasi-Unterlagen an die Presse herausgegeben hat. Zwar ergibt sich aus den §§ 32, 33 StUG, dass derartige Unterlagen von der Birthler-Behörde nur unter bestimmten Voraussetzungen herausgegeben werden dürfen, bei personenbezogenen Informationen nämlich grundsätzlich nur dann, wenn es sich um Informationen über einen Mitarbeiter der Stasi oder einen von der Stasi Begünstigten handelt. Die insoweit von der Birthler-Behörde in der Tat zu treffende Entscheidung darüber, wen sie für einen Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit hält und wen nicht, reicht allerdings zur prozessualen Glaubhaftmachung über die Frage, ob eine Person tatsächlich inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen ist, schon deswegen nicht aus, weil es sich bei der Beurteilung der Birthler-Behörde ersichtlich nur um eine Bewertung handelt, der kein objektiver Beweis- bzw. Glaubhaftmachungswert zukommt.

        (3)    Aber auch die von der Antragsgegnerin vorgelegten Dokumente vermögen den Wahrheitsgehalt der angegriffenen Äußerungen nicht glaubhaft zu machen:

        (a)   Der Umstand, dass die HVA im Mai 1970 für den Antragsteller eine Karteikarte mit dem Decknamen "Christoph" angelegt hat, vermag eine wissentliche und willentliche - langjährige - Zusammenarbeit des Antragsteilers mit der Stasi in keiner Weise zu belegen. Sie macht lediglich deutlich, dass es beim MfS über den Antragsteller seit 1970 einen Aktenvorgang gab, für den in den folgenden Jahren unterschiedliche hauptamtliche Mitarbeiter des MfS zuständig waren. Ob freilich der Antragsteller etwas von dieser Registrierung wusste oder ob unter der Akte IM "CVhristoph" gegebenenfalls sogar ihn "belastende" Materialien abgeheftet wurden, lässt sich der Karteikarte nicht entnehmen. Dem entspricht es, dass der in der Karteikarte unter dem Pseudonym IM "Christoph" aufgeführte ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des MfS xxxx eidesstattlich versichert hat (vgl. Anlage Ast. 11), er habe zwar in den Jahren 1970 bis 1975 Kontakte zum Antragsteller gehabt, dem Antragsteiler seien indessen weder sein Klarname noch seine Zugehörigkeit zum MfS bekannt gewesen, er habe sich ihm gegenüber vielmehr als Mitarbeiter des Instituts für Internationale Politik und Wirtschaft, einer wissenschaftlichen Einrichtung der Akademie der Wissenschaften ausgegeben und ihn in dieser Eigenschaft "abgeschöpft".

        (b)  Das Telegramm der BV Leipzig der Stasi vom 2.3.1984 an die HVA Abt XII (Anlagenkonvolut Ag 2), besagt ebenfalls nur etwas für die (unstreitige) Erfassung des Antragstellers bei der HVA, indessen nichts für seine wissentliche Erfassung. Vielmehr ist die Formulierung "Wir bitten um Mitteilung des Erfassungsgrundes" sogar geeignet, den Vortrag des Antragstellers zu stützen, wonach letztlich jeder, der wie er regelmäßig von der BRD in die DDR und zurück gereist sei, erfasst worden sei. Dass auch westdeutsche Bundesbürger in den Karteikarten des MfS erfasst waren, ohne zugleich Mitarbeiter des MfS zu sein, bestätigt auch die Birthler Behörde in "BStU online" zum Thema "Akteneinsicht" (Anlage ASt 9 zu Anlage ASt 9), wonach ca. 2 Millionen Bürger der alten Bundesländer und Bürger anderer Staaten in den Karteien des MfS erfasst gewesen sind, wenn sie z.B. Mitarbeiter der NATO oder auch "nur" Journalisten oder Korrespondenten für den Bereich der DDR waren.

        (c) Die Aktennotiz vom 3.3.84 zu einem Telefonat auf diese Anfrage (Anlagenkonvolut Ag 2) mag dagegen als Beweistatsache für den Verdacht, der Antragsteller habe - auch wissentlich - mit der Stasi zusammengearbeitet, in Betracht kommen. Denn in der Tat klingt die unstreitig über die Person des Antragstellers getätigte Aussage, dass dieser "positiv erfaßt" sei und "zuverlässig arbeite" sowie die Mitteilung, dass der Antragsteller den für ihn zuständigen HVA-Mitarbeiten wegen einer geänderten Telefonnummer "seiner Abt." "objektiv" nicht habe anrufen können, durchaus danach, dass es hier eine regelmäßige Kommunikation zwischen den Antragsteller und der HVA XII gegeben habe, die man sich wiederum ohne das Wissen des Antragstellers darum, mit wem er kommuniziert hat, kaum vorstellen kann. Mehr als ein Verdachtsmoment ist indessen auch dieser Aktennotiz nicht zu entnehmen. Denn der Unterzeichner der Aktennotiz xxxx hat insoweit in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 6.9.04 (Anlage Ast. 11 zu Anlage Ast. 9, deren Original der Kammer im Verfahren 324 O 506/04 vorliegt) erklärt, dass nach dem Sprachgebrauch des MfS eine Person schon dann "positiv erfasst" gewesen sei, wenn sie sich dem Staat der DDR loyal und gesetzestreu verhalten habe, und dass sich die Formulierung "zuverlässig arbeiten" darauf bezogen habe, dass die mittels der Person des Antragstellers erarbeiteten Informationen regelmäßig wahr gewesen seien, mithin sich die "abgeschöpften" Informationen als wahr und brauchbar erwiesen hätten. Diese Erklärung lässt die Aktennotiz jedenfalls in einem anderen Licht erscheinen und macht sie vereinbar mit dem an Eides statt versicherten Vortrag des Antragstellers, er habe nie wissentlich mit der Stasi zusammen gearbeitet, so dass sie nicht geeignet ist, das Gegenteil glaubhaft zu machen. Dies gilt auch hinsichtlich des zweiten Teils der Aktennotiz. Denn insoweit hat der Antragsteller zum einen an Eides Statt versichert (vgl. Anlage Ast. 13 zu Anlage Ast. 9), er habe zu keinem Zeitpunkt einen Stasi-Mitarbeiter in Kenntnis von dessen Stasi-Zugehörigkeit unter einer Telfonnummer angerufen, von der er gewusst habe, dass es die Telefonnummer eines Stasi-Anschlusses gewesen sei, und zum anderen vorgetragen, dass es eine ganz und gar übliche Arbeitsweise des MfS gewesen sei, auch unwissentlich abgeschöpften Mitarbeitern Deckadressen und auch Telefonnummern zur Kontaktaufnahme mitzuteilen, und dass es zudem möglich sei, dass der HVA-Mitarbeiter den Hinweis auf seine telefonische Nichterreichbarkeit nur vorgeschoben habe, um zu erklären, warum er von einem für die Stasi interessanten Sachverhalt, nämlich der Lesung mit Moog keine Kenntnis gehabt habe. Dieser Vortrag ist zumindest geeignet, den Inhalt der Aktennotiz auch vor dem Vortrag des Antragstellers, er habe nie wissentlich mit der Stasi zusammen gearbeitet, plausibel erscheinen zu lassen. Es wäre daher Sache der glaubhaftmachungsbelasteten Antragsgegnerin gewesen, den Vortrag des Antragstellers zu der Aktennotiz durch geeignete Glaubhaftmachungsmittel zu entkräften; dies hat sie indes nicht getan, sondern den diesbezüglichen Vortrag des Antragstellers lediglich bestritten.

        (d)  Ebensowenig vermögen die jeweils von ten "Berichte" vom 9.3., 11.3., 12.3. und 14.3.1984 (sämtlich Anlagenkonvolut Ag 2) glaubhaft zu machen, der Antragsteller habe wissentlich Informationen an die Stasi, nämlich an den Oberleutnant Opelt über die Lesung mit Moog (und damit indirekt auch über seine Ehefrau Regine Thüm, in deren  Wohnung die Lesung statt gefunden hatte), weiter gegeben. Zwar lässt sich den Berichten entnehmen, dass sich Opelt mit dem Antragsteller getroffen hat und dass dieser ihn auch über Einzelheiten der Lesung informiert hat. Aus den Dokumenten ergibt sich indessen nicht zwingend, - wenn sie auch geeignet sein mögen, einen diesbezüglichen Verdacht zu erwecken -, dass der Antragsteller insoweit in seiner Funktion als "Mitarbeiter der Stasi" oder "Auslandsagent der HVA", mithin in dem Wissen, dass er einen Stasi-Beamten mit Informationen versorgte, gehandelt hat. Vielmehr erscheinen ihre Form und ihr Inhalt auch dann noch plausibel, wenn man - wie der Antragsteller und Opelt an Eides statt versichert haben - davon ausgeht, der Antragsteller habe sich mit dem damaligen Oberleutnant Opelt lediglich unter dessen Legende als Kriminalpolizist getroffen. So wird an keiner Stelle der Berichte erwähnt, dass bzw. ob sich der Unterzeichner dem Antragsteller als Stasi-Mitarbeiter zu erkennen gegeben hat bzw. dass dies dem Antragsteller ohnehin bekannt war. Allerdings heißt es in dem ersten Bericht vom 9.3.1984, dass zur Verbindungsaufnahme mit dem "IM" dessen Telefonnummer und ein Erkennungswort mitgeteilt worden sei, was zumindest "verdächtig" erscheint, da man üblicherweise davon ausgehen dürfte, dass nur Mitarbeitern der Stasi "Erkennungswörter" zugeordnet waren und nicht Personen, die von der Stasi lediglich abgeschöpft worden sind. Der Antragsteller hat hinsichtlich des Erkennungswortes allerdings eidesstattlich versichert, es habe nie eine Absprache mit Stasi-Mitarbeitern gegeben, wie er mit diesen bzw. diese mit ihm Verbindung aufnehmen könnten (Anlage Ast. 13 zu Anlage Ast. 9)  xxxx hat zu dem Erkennungswort eidesstattlich versichert, dass ihm der Mitarbeiter der HVA für die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller mitgeteilt habe, unter welchem Arbeitsnamen alle durch den Antragsteller erlangten Informationen zwischen der HVA Abteilung XII und der BV Leipzig, Abteilung XX auszutauschen seien, nämlich unter IM "Christoph". Versteht man das Erkennungswort in diesem Sinn, erscheint es zumindest möglich, dass ein solches einer lediglich "abgeschöpften Quelle" aus organisatorischen, internen Gründen zugeordnet gewesen sein mag. Einem (möglichen) Verständnis in diesem Sinne steht aus Sicht der Kammer auch nicht die Formulierung in dem Treffbericht entgegen, wonach zur "Aufnahme der Verbindung zur zeitweiligen Nutzung" (des Antragstellers) "ein Erkennungswort" mitgeteilt worden ist. Denn mit der "Aufnahme der Verbindung zur zeitweiligen Nutzung" konnte durchaus nicht nur die persönliche Kontaktaufnahme mit dem "IM" anhand eines Erkennnungswortes gemeint gewesen sein, sondern auch der damit zusammenhängende Aktenvorgang, der für die auszutauschenden Informationen eines "Arbeitsnamens" bzw. "Erkennungswortes" bedurfte. Diese Interpretation ist angesichts der Formulierung, dass "ein Erkennungswort", also nicht etwa "das Erkennungswort des IM" oder "sein Erkennungswort" mitgeteilt worden sein soll, und dem Umstand, dass die Berichte des grammatikalisch erhebliche Schwächen aufweisen, jedenfalls plausibel.

        Soweit es weiter in dem ersten Bericht heißt, dass mit dem Antragsteller "folgender Auftrag vereinbart" worden sei, so widerspricht auch dies nicht dem Vorbringen des Antragstellers. Denn Opelt hat insoweit an Eides statt erklärt, dass er - unter der Legende Kriminalpolizei - an den Antragsteiler herangetreten sei und diesen gebeten habe, Informationen zu der besagten Lesung zu erbringen; dies habe er dann im internen Sprachgebrauch als "Auftrag" formuliert. Die Antragsgegnerin ist dem an Eides statt versicherten Vortrag des Antragstellers und von xxxx hinsichtlich der "Legende Kriminalpolizei" zwar entgegen getreten, indem sie vorgetragen hat, dass es schlicht nicht zu glauben sei, dass der Antragsteller die "Legende des Kriminalpolizisten", den er in einem Interhotel und nicht etwa in dessen Büro getroffen habe, geglaubt habe. Dies reicht freilich zur Glaubhaftmachung des Vorwurfs, der Antragsteller habe wissentlich mit der Stasi zusammen gearbeitet, nicht aus, sondern ist allenfalls als weiterer verdachtsbegrundender Faktor zu berücksichtigen.

       (e) Das Dankesschreiben der BV Leipzig an die HVA XII vom 20.3.1984 (Anlagenkonvolut Ag 2) ist ebenfalls nicht ausreichend, um den Wahrheitsgehalt der in Rede stehenden Äußerungen zu belegen: Dort heißt es zwar, dass "dem IM ... der Dank für seine gute Einsatzbereitschaft und die qualitativ guten Informationen ausgesprochen" worden sei und dass die "vom IM erarbeiteten Informationen ...hohen operativen Wert" besessen hätten, was den Verdacht, der Antragsteller habe wissentlich mit der Abteilung xxxx im  Zusammenhang mit den Berichten über die Lesung mit Moog zusammengearbeitet, nahe legt. Eine hinreichende Glaubhaftmachung der Behauptung, dass es tatsächlich so gewesen ist, ergibt indessen auch dieses Schreiben nicht. Denn bei dem Schreiben handelt es sich lediglich um internen Schriftverkehr zwischen der Staatssicherheit Leipzig und der HVA Abteilung XII in Berlin ohne dass bekannt ist, wie der "Dank" tatsächlich ausgesprochen wurde, insbesondere ob sich die Abteilung xxxx bei dem Antragsteller als "IM" bedankt hat oder ob sie ihm als "loyalen" Staatsbürger der DDR gedankt hat, der einem Kriminalbeamten wertvolle Informationen geliefert hat. Auch die Bewertungen über die "gute Einsatzbereitschaft" und die "qualitativ guten Informationen" könnten dem Verhalten des Antragstellers als "treuer DDR-Bürger" Rechnung tragen und - auch dies erscheint der Kammer jedenfalls nicht abwegig - daraus resultieren, dass sich die BV Leiipzig gegenüber der NVA mit den durch ihren Mitarbeiter Oplet dem Antragsteller "herausgeholten" Ermittlungsergebnisse "brüsten" wollte.

       (f) Aus dem "Maßnahmeplan" vom 17.4.1984 sowie den folgenden dazugehörigen Dokumenten (Aktennotiz xxxx vom 4.9.1984, Schreiben xxxx vom 10.8.1984, Bericht vom 28.9.1984 in "Ich-Form", Bericht vom 28.9.1984 und Abschlussbericht zu OPK "Organisator" vom 17.1.1985} lässt sich ebenfalls nicht zwingend entnehmen, dass der Antragsteifer die Staatssicherheit wissentlich mit Informationen über seine damalige Lebensgefährtin und heutige Ehefrau und/oder deren Bekannte aus der Kulturszene versorgt hat. Insbesondere lässt sich aus der "Zielstellung" im Maßnahmeplan "positive Beeinflussung seitens des IM" und dem in "Ich-Form" verfassten Bericht über eine offenbar von xxxx organisierte Schriftstellerlesung vom 28.9.1984, in dem es im letzten Absatz heißt "Nach der Lesung bat ich ... so etwas nicht mehr zu organisieren, weil die Teilnahme westlicher Journalisten an privaten Veranstaltungen eigentlich gegen die Bestimmungen über die Agredidierung steht und wir uns selbst durch eine solche Einladung strafbar machen können.", wiederum nicht mit hinreichender Sicherheit auf eine wissentliche Arbeit des Antragstellers mit der Staatssicherheit schließen. Dem steht zunächst die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers entgegen, in der er versichert, er habe keinen Bericht für die Staatssicherheit verfasst, erst recht nicht in "Ich-Form", was durch die eidesstattliche Versicherung von Opelt bestätigt wird, wenn dieser dort ausführt, dass er die "mündlichen Informationen von Porsch  - prinzipiell in der Ich-Form geschrieben" habe und sie mit der Unterschrift xxxx versehen habe. Dazu passt, dass die grammatikalischen und orthographischen Schwächen in diesem Bericht (siehe nur "eigendlich" und "Agredidierung") erheblich sind, was es kaum glaubhaft erscheinen lässt, dass der Bericht tatsächlich vom Antragsteller verfasst worden sein sollte. Aber auch der Umstand, dass der Antragsteller - laut dem Bericht - Opelt darum gebeten habe, "so etwas nicht mehr zu organisieren", also "positiv" auf xxxx eingewirkt haben will entsprechend dem zuvor aufgestellten Maßnahmeplan, macht eine wissentliche Zusammenarbeit des Antragstellers mit der Staatssicherheit nicht glaubhaft. Denn der Vortrag des Antragstellers, gestützt durch die eidesstattliche Versicherung von Opelt, dass die Zielstellung "positive Beeinflussung" so gemeint gewesen sein könne, dass man ihm aus krimimalpolizeilicher Sicht aufgezeigt habe, welche Konsequenzen ihm bei wiederholten Handlungen wie der Abhaltung einer Lesung mit westdeutschen Journalisten drohen könnten, damit er sein Verhalten entsprechend ändere bzw. seine Lebenspartnerin auf dieses falsche Verhalten hinweise, erscheint der Kammer jedenfalls nicht so fern liegend, als dass sie die Dokumente - entgegen den anders lautenden eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers und Opelt als eindeutige Belege für eine wissentliche Mitarbeit des Antragstellers als "IM" bewerten könnte. Denn es lässt sich in der Tat vorstellen, dass der Antragsteller, der ja - seinen Vortrag zugrunde gelegt - mehrfach auf die Aktivitäten seiner Lebensgefährtin von einem Kriminalbeamten angesprochen und zu diesen befragt worden sein will, seine Partnerin - sei es aus loyaler Staatstreue oder sogar aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung - dazu veranlassen wollte, derartige Veranstaltungen mit westlichen Journalisten zukünftig zu unterlassen. Jedenfalls hat die Antragsgegnerin diese "Version" nicht hinreichend erschüttert.

       (g) Der in ich-Form verfasste und mit "gez. xxxx" -unterschriebene Bericht über die Lesung von Moog vom 12.3.1985 in der Gudenberg-Lesestube (Anlagenkonvolut Ag 2) belegt - zumal im Zusammenhang mit der eidesstattlichen Versicherung vor xxxx (Anlage Ag 3B) - zwar, dass der Antragsteller xxxx über die Lesung und sein Zusammentreffen mit xxxx berichtet hat xxxx belegt indessen wiederum nicht, dass er wusste, dass er seine Informationen einem Mitarbeiter der Staatssicherheit weiter gab. Vielmehr ist es auch hier möglich, dass der Antragsteller auf Fragen von xxxx unter dessen Legende als Kriminalbeamter geantwortet hat. Dies jedenfalls versichert xxxx ein Eides statt. Dass der Bericht in Ich-Form gehalten ist, spricht - wie oben ausgeführt - ebenfalls nicht zwingend dafür, dass der Antragsteller den Bericht tatsächlich für die Staatssicherheit verfasst hat.

       (h) Schließlich ist auch der "Auskunftsbericht zum Auslandskader und zum mitreisenden Ehepartner" vom 21. Juni 1988 (Anlagenkonvolut Ag 2) nicht geeignet, um die Wahrheit der in Rede stehenden Äußerungen, insbesondere den Vorwurf, der Antragsteller habe mit der Auslandsspionage der DDR-Sicherheit zusammen gearbeitet bzw. sei als "Auslandsagent der HVA" tätig gewesen, hinreichend glaubhaft zu machen. Allerdings bietet die Wortwahl "Auslandskader", "vorgesehener Einsatz" und die Formulierung, dass der Antragsteller in der Abteilung XII für die HVA XII "aktiv erfasst" gewesen sei, durchaus Verdachtsmomente dafür, dass dem Antragsteller nicht lediglich erlaubt war, ins Ausland zu reisen, sondern dass er als Mitglied eines besonderen "Kaders" des Ministeriums für Staatssicherheit "aktiv" eingesetzt wurde, was auch erklären könnte, warum aus "op. Gründen kein Einsatz in einem NATO-Land erfolgen" durfte. Mehr als diese Verdachtsmomente liefert indessen auch dieser Bericht nicht und ist deshalb nicht geeignet, die entgegenstehende eidesstattliche Versicherung des Antragstellers, wonach er niemals als "Auslandsagent" für die HVA tätig gewesen sei, hinreichend zu erschüttern. Dies gilt schon deshalb, weil der interne Sprachgebrauch der Mitarbeiter des MfS und deren Wortwahl derartig viele Unsicherheiten birgt, dass die Kammer die Bedeutung einzelner Worte und Formulierungen nicht mit der hinreichenden Sicherheit bewerten kann. So erscheint der Kammer der Vortrag des Antragstellers, wonach die Formulierung "aktiv erfasst" lediglich habe bedeuten sollen, dass der Vorgang noch "aktiv", also nicht geschlossen sei, zwar relativ fern liegend zu sein, ausschließen kann sie indessen einen solchen Sinngehalt nicht. Gleiches gilt für die Worte "Auslandskader" und "vorgesehener Einsatz". Auch insoweit kann die Kammer nicht ausschließen, dass dies die übliche Wortwahl war für DDR-Bürger, die - ohne Auslandsagenten zu sein -, ins Ausland reisen durften, also insoweit zum "Auslandskader" gehörten und dass jeder Auslandsaufenthalt als "Einsatz" bezeichnet wurde, auch wenn sich dahinter keinerlei politische Aktivität verborgen haben sollte, sondern z.B. nur die Abhaltung von Deutschkursen in Polen.

        (4) Auch in ihrer Gesamtheit genügen die vorgelegten Dokumente nicht den Anforderungen, die an die der Antragsgegnerin obliegenden Darlegungslast zu stellen sind. Das vorgelegte Material fügt sich nicht wie einzelne Mosaiksteine zu einem einheitlichen Ganzen zusammen, das die angegriffenen Aussagen rechtfertigen könnte. Zwar gehört ein Teil der Dokumente ganz offensichtlich zusammen - dies gilt insbesondere für die Dokumente, die die Lesung von Moog im März 1984 betreffen -, indessen ergibt sich auch aus einer Gesamtschau der Dokumente nicht, dass der Antragsteller mit Wissen und Wollen für die DDR-Staatssicherheit tätig gewesen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass den Dokumenten des MfS mit erheblicher Zurückhaltung zu begegnen ist. Für den Bereich des Strafrechts hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Akten und Erkenntnisse des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR grundsätzlich nicht geeignet sind, als solche den für den Erlass eines Haftbefehls erforderlichen dringenden Tatverdacht zu belegen. Vielmehr bedürfen die aus ihnen zu entnehmenden Informationen strenger und besonders kritischer Überprüfung, weil Aufgabenstellung und Arbeitsweise des MfS den Erfordernissen rechtsstaatlicher Sachverhaltsaufklärung in keiner Weise entsprochen haben (BGHSt 38, 276). Angesichts der weit reichenden und tief greifenden Beeinträchtigung der persönlichkeitsrechtlichen Belange des Antragstellers, die damit einhergehen, wenn ihm wahrheitswidrig nachgesagt wird, er sei IM der Stasi gewesen, muss der vom Bundesgerichtshof aufgezeigte strenge und kritische Maßstab auch auf den hier zur Entscheidung gestellten Fall angewendet werden. Dokumente, die in Bezug auf Abläufe und Personen - auf den ersten Blick - konsistent zu sein scheinen, sind daher dennoch hinsichtlich der Richtigkeit des dokumentierten Sachverhalts zu hinterfragen, da nicht auszuschließen ist, dass die Darstellung in den Dokumenten manipuliert in dem Sinne ist, dass ein Sachverhalt konsistent "gemacht" worden ist, um ihm ein größeres Gewicht zu verleihen oder um einen anderen Sachverhalt zu verschleiern.

        (5) Andere geeignete Glaubhaftmachungsmittel hat die Antragsgegnerin nicht beigebracht. Presseberichte in anderen Medien (Anlagen Ag 5 bis Ag 12) sind jedenfalls kein Beleg für die Wahrheit der in Rede stehenden Äußerungen, wie bereits oben ausgeführt wurde (siehe oben unter 1.a) bb)).

        b) Die in Rede stehenden Äußerungen sind aber auch nicht als Verdachtsberichterstattung zulässig gewesen. Selbst wenn man zu Gunsten der Antragsgegnerin unterstellen wollte, dass die unter M. und 3. des Kammer-Beschlusses vom 30.8.2004 verbotenen Äußerungen lediglich den Verdacht abgeworfen haben, der Antragsteller könne als langjähriger IM sogar seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt haben, er könne seit 1970 mit der Auslandsspionage der DDR-Staatssicherheit zusammengearbeitet haben und sein Umzug in die DDR könne durch eine drohende Entdeckung als Ausandsagent der HVA motiviert gewesen sein, würde es sich bei den Äußerungen nicht um eine zulässige Verdachtsberichterstattung handeln, bei der sich die Antragsgegnerin auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen könnte; denn die streitgegenständliche Berichterstattung genügt nicht den von Rechtsprechung und Literatur insoweit aufgestellten Anforderungen.

        Eine zulässige Verdachtsberichterstattung setzt voraus, dass es sich um einen Gegenstand berechtigten öffentlichen Interesses handelt, dass hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit des Verdachts vorhanden sind, dass die Medien die im konkreten Fall gebotene - auch von der Schwere des geäußerten Verdachts abhängende - Sorgfalt bei der Recherche und der Entscheidung für eine Veröffentlichung haben walten lassen, sowie dass die Medien durch die Art der Darstellung dem Leser vermitteln, dass es sich einstweilen um nicht mehr als einen Verdacht handelt, indem sie mindestens deutlich machen, dass die Sachlage jedenfalls offen ist (vgl. Soehring, Presserecht, 3.Aufl., Rz.16.24a bis 16.24c; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4.AufL, Rz.10.135ff; Prinz / Peters, Medienrecht, Rz.268ff mwN). Diese Voraussetzungen sind hier bei den mit Beschluss vom 30.8.2004 unter Ziffer l. 1. und 3. verbotenen Äußerungen nicht erfüllt:

aa) Zwar war und ist es ohne Zweifel von öffentlichem Interesse, ob der Antragsteller als IM für die DDR-Staatssicherheit tätig war, wie es in der angegriffenen Erstmitteilng heißt.

bb) Zweifelhaft ist es indessen bereits, ob hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit des Verdachts, der Antragsteller habe als langjähriger IM sogar seine heutige Ehefrau bespitzelt, habe seit 1970 mit der Auslandsspionage der DDR-Staatssicherheit zusammen gearbeitet und sein Umzug in die DDR sei durch seine drohende Enttarnung als Auslandsagent des HVA motiviert gewesen, vorhanden sind, wobei diese von der Antragsgegnerin vorzutragen und glaubhaft zu machen waren (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4.Aufi., Rz.10.143), Die Antragsgegnerin mag nämlich anhand der vorgelegten Dokumente - wie sich aus dem unter a) Aufgeführten ergibt -zwar hinreichende Verdachtsmomente dafür erbracht haben, dass der Antragsgegner in der Mitte der 80iger Jahre zeitweilig mit der DDR-Staatssicherheit zusammen gearbeitet und dabei auch über seine heutige Ehefrau berichtet hat, indessen gibt es außer der wenig aussagekräftigen für den Antragsgegner von der Staatssicherheit im Mai 1970 angelegten Karteikarte in den von der Antragsgegnerin vorgelegten Glaubhaftmachungsmitteln keine Belegtatsachen dafür, dass der Antragsteller seit 1970 - also durchgängig und "langjährig" - für die Staatssicherheit der ehemaligen DDR zusammen gearbeitet hätte. Erst recht nicht hat die Antragsgegnerin Anhaltspunkte für den Verdacht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller in die DDR umgezogen sei, weil er seiner Enttarnung als Auslandsagent des HVA habe entgehen wollen. Ob der "Auskunftsbericht zum Auslandskader und zum mitreisenden Ehepartner' vom 21. Juni 1988 (Anlagenkonvolut Ag 2) allein geeignet ist um den Verdacht zu rechtfertigen, der Antragsteller sei Ende der 8Oiger Jahre als "Auslandsagent" tätig gewesen, ist bereits zweifelhaft; er ist indessen jedenfalls nicht ausreichend als Belegtatsache dafür, dass der Umzug des Antragstellers in die DDR, der Anfang der 70iger Jahre stattfand, durch seine Tätigkeit als Auslandsagent der HVA ausgelöst worden sei; es gibt - außer wiederum der für ihn angelegten Karteikarte - weder Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller schon Anfang der 70iger Jahre für die HVA gearbeitet haben könnte noch gibt es Hinweise dafür, dass dem Antragsteller eine "Enttarnung" drohte.

Die den Umzug des Antragstellers betreffende Äußerung war der Antragsgegnerin daher- auch als Verdachtsäußerung -schon deshalb zu verbieten, weil sie insoweit keine hinreichenden Belegtatsachen für den aufgestellten Verdacht beigebracht hat.

cc) Aber auch die unter Ziffer l. 1a) und b) des angegriffenen Kammer-Beschlusses verbotenen Äußerungen waren, selbst wenn man in ihnen "nur" Verdachtsäußerungen sehen und davon ausgehen wollte, dass für sie hinreichende Anhaltspunkte vorhanden seien, zu verbieten. Denn jedenfalls fehlt es insoweit an der für eine zulässige Verdachtsberichterstattung geforderten "offenen" Darstellung. Die angegriffenen Äußerungen vermitteln dem Leser, auch und gerade im Kontext der gesamten Erstrnitteilung, gerade nicht den Eindruck, dass es sich einstweilen um nicht mehr als einen Verdacht gehandelt habe, die Sachlage also noch offen ist. Für eine solche "offene" Darstellung muss sich das Presseorgan zwar nicht von dem Verdacht distanzieren, sondem kann durchaus seine Meinung deutlich machen; es ist indessen erforderlich, dass dem Leser deutlich gemacht wird, dass es durchaus möglich ist, dass sich die Vorwürfe als nicht gerechtfertigt erweisen. Hierfür genügt es nicht, dass der Betroffene - wie hier - in der Erstmitteilung zu Wort kommt und Gelegenheit erhält, die Vorwürfe abzustreiten. Denn dass der Verdächtigte, zumal wenn dieser in der Öffentlichkeit steht und - wie der Antragsteller - eine anstehende Wahl gewinnen will, derlei Vorwürfe nicht zugibt, sondern abstreitet, dürfte dem Leser geradezu als "natürliche" Reaktion erscheinen, aus der sich nichts oder jedenfalls wenig für die Frage ergibt, ob die Vorwürfe berechtigt sind oder nicht.

Andere entlastende Momente werden indessen nicht aufgezeigt. Vielmehr steht die Äußerung "Er soll als langjähriger IM sogar seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt haben" quasi als Fazit oder Unterüberschrift vor dem eigentlichen Artikel und vermittelt schon damit dem Leser den Eindruck besonderer "Sicherheit". Dies gilt um so mehr, als es davor heißt, dass der Antragsteller "massiven Stasi-Vorwürfen" ausgesetzt sei. Das Wort "massiv" lässt beim Leser nicht nur vermuten, dass dem Antragsteller besonders "intensive" Tätigkeit für die Staatssicherheit vorgeworfen wird, sondern suggeriert jedenfalls auch die Intensität der Vorwürfe in dem Sinne, dass sie auf einer soliden/massiven Basis stehen, also schon (fast) Gewissheit sind. Der folgende Artikel kann nach Auffassung der Kammer diesen Eindruck nicht abschwächen, finden sich doch im ersten Teil der Erstmitteilung letztlich nur Bestätigungen für die eingangs aufgestellte Äußerung: So wird die Formulierung "langjähriger IM" dadurch untermauert, dass mitgeteilt wird, dass der Antragsteller seit 1970 mit der Auslandsspionage der DDR-Staatssicherheit zusammengearbeitet habe und dass ihn die Stasi als IM "Christoph" geführt habe. Die Äußerung, dass er sogar (was suggeriert, dass der Antragsteller keinesfalls "nur" seine Ehefrau, sondern neben anderen Personen "sogar" auch sie bespitzelt habe) seine Ehefrau bespitzelt haben soll, wird belegt durch ausgesuchte Zitate aus den auch in diesem Verfahren vorgelegten Dokumenten über die Lesung von Moog im März 1984, die jedenfalls aus dem Zusammenhang gerissen - dem durchschnittlichen Leser als eindeutige Belege für die Stasi-Mitarbeit des Antragstellers erscheinen müssen. Der Hinweis darauf, dass die Informationen aus einem Bericht des xxxx stammten, lässt die aufgestellten Spitzelvorwürfe ebenfalls nicht als "offen" erscheinen, im Gegenteil:     Der Leser dürfte dies eher als Beleg für die Richtigkeit der Vorwürfe werten.

Die Äußerung, dass der Antragsteller seit Mai 1970 mit der Auslandsspionage der DDR-Staatssicherheit zusammen gearbeitet habe, erhält dadurch, dass die Erstmitteilung mit diesem Vorwurf beginnt, ebenfalls ein besonderes Gewicht. Zudem ist die Äußerung im Indikativ formuliert und nicht mit Zusätzen wie "angeblich" oder "es besteht der Verdacht, dass..." oder "ihm wird vorgeworfen" versehen; lediglich am Ende des Satzes heißt es "berichtet ...'xxxx'.  Dieser Zusatz ist indessen, wie soeben ausgeführt, nicht geeignet, um dem Leser zu vermitteln, dass lediglich ein Verdacht wiedergegeben werde, der sich durchaus auch als falsch herausstellen könnte. Auch diese Äußerung wird durch die in der Erstmitteilung folgenden Zitate aus der Stasi-Akte des Antragstellers derart untermauert, dass die spätere Stellungnahme des Antragstellers nicht mehr geeignet ist, um den beim Leser verfestigten Eindruck, dass an den Vorwürfen, wenn auch nicht im Detail, so doch dem Grunde nach, etwas "dran sein" müsse, wieder zu erschüttern.

Die Antragsgegnerin kann sich schließlich für die Zulässigkeit ihrer Berichterstattung auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Antragsteller selbst die im "Focus" verbreiteten Vorwürfe in seinen Pressekonferenzen wiederholt habe, so dass sie Gleiches ebenfalls tun dürfe. Es dürfte auf der Hand liegen, dass derjenige, der sich Vorwürfen in Presseorganen ausgesetzt sieht und diesen im Wege von Pressekonferenzen zu begegnen sucht, im Rahmen seiner Stellungnahme mitteilen muss, um welche Vorwürfe es sich überhaupt handelt. Dies hat indessen mit der pressemäßigen Verbreitung eines Verdachts nichts zu tun, sondern dient gerade im Gegenteil dazu, die Vorwürfe zu entkräften. Das Argument der Antragsgegnerin ist daher für die Kammer kaum nachvollziehbar.

Hinsichtlich Ziffer l. 2. war dagegen die einstweilige Verfügung der Kammer vom 30.8.2004 nach der Widerspruchsverhandlung aufzuheben. Insoweit steht dem Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin der geltend gemachte Anspruch, es zu unterlassen, durch die im Artikel vom 11.8.2004 in der xxxx veröffentlichten Eingangspassagen den Verdacht zu erwecken, er habe als IM mit dem Decknamen "Christoph" einen Stasi-Offizier über den Verlauf einer Lesung berichtet, die im März 1984 parallel zur Buchmesse in seiner Wohnung stattgefunden habe, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Das Erwecken eines solchen Verdachts durch die angegriffene Berichterstattung war jedenfalls zum Zeitpunkt des Schlusses der Widerspruchsverhandlung nicht (mehr) zu beanstanden. Denn die Antragsgegnerin kann sich - zumindest im Hinblick auf zukünftige Berichterstattungen - darauf berufen, dass es sich insoweit um eine zulässige Verdachtsberichterstattung handelt.

Eine zulässige Verdachtsberichterstattung setzt nach den oben bereits aufgeführten Grundsätzen voraus, dass über einen Gegenstand berechtigten öffentlichen Interesses berichtet wird, dass hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit des Verdachts vorhanden sind, dass die Medien die im konkreten Fall gebotene - auch von der Schwere des geäußerten Verdachts abhängende -Sorgfalt bei der Recherche und der Entscheidung für eine Veröffentlichung haben walten lassen, sowie dass die Medien durch die Art der Darstellung dem Leser vermitteln, dass es sich einstweilen um nicht mehr als einen Verdacht handelt, indem sie mindestens deutlich machen, dass die Sachlage jedenfalls offen ist (vgl. Soehring, Presserecht, 3.Aufl., Rz.16.24a bis 16.24c; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4.Aufl, Rz.10.135ff; Prinz / Peters, Medienrecht, Rz.268ff mwN). Diese Voraussetzungen sind erfüllt:

aa) Es liegt auf der Hand, dass es bei der angegriffenen Berichterstattung um einen Vorwurf von erheblichem öffentlichem Interesse geht: Die Frage, ob der Spitzenkandidat einer politischen Partei für die Staatssicherheit der ehemaligen DDR tätig war, ist, zumal wenn dieser in einem der neuen Bundesländer als Kandidat auftritt, von höchstem Interesse für die Öffentlichkeit, hängt doch die persönliche und politische Integrität eines solchen Kandidaten von dieser Frage ab. Zudem gehört es zur Aufarbeitung der deutschen Geschichte herauszufinden, wer für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet hat.

bb) Die Antragsgegnerin hat auch hinreichende Anhaltspunkte für den geäußerten Verdacht, der Antragsteller habe als IM einem Stasioffizier über eine Lesung mit Christa Moog berichtet, vorgetragen und glaubhaft gemacht: Allerdings reicht der unstreitige Sachverhalt, wonach sich der Antragsteller in der Tat im März 1984 mehrfach mit dem ehemaligen Stasi-Oberleutnant Opelt getroffen und diesem Einzelheiten über die Lesung berichtet hat, noch nicht als hinreichender Beleg für den geäußerten Verdacht, der Antragsteller habe "als IM" berichtet, aus. Denn damit wird ausgedrückt, dass der Verdacht bestehe, dass der Antragsteiler wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet habe, mit hin ein Teil des Bespitzelungs- und Überwachungsapparates der ehemaligen DDR gewesen sein könnte. Dies wäre der Antragssteller indessen nicht gewesen, wenn er lediglich einem vermeintlichen Kriminalbeamten über die Lesung berichtet hätte.

In den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen sind indessen -trotz der Unsicherheit, die mit diesen Dokumenten, worauf schon mehrfach hingewiesen wurde, verbunden ist - hinreichende Anhaltspunkte zu finden, die jedenfalls den Verdacht rechtfertigen können, dass der Antragsteller entgegen seiner eidesstattlichen Versicherung und entgegen den Erklärungen von xxxx und xxxx doch wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet hat. Insbesondere die Gesamtschau der vorgelegten Dokumenten vermag einen solchen Verdacht zu stützen:

Bereits die Aktennotiz zu einem Telefonat auf die Telegrammanfrage vom 2.3.1984, ob der Antragsteller zur Verfügung stehe, und die folgende Mitteilung eines Mitarbeiters der HVA XII , wonach der Antragsteller "positiv erfasst" sei und "zuverlässig arbeite", spricht - jedenfalls nach üblichem Sprachverständnis - dafür, dass es sich bei dem Antragsteller nicht nur um einen lediglich von der Staatssicherheit erfassten Bürger der DDR gehandelt haben könnte, der hin und wieder "abgeschöpft" wurde, sondern dass er aktiv und einigermaßen regelmäßig an die Staatssicherheit berichtet hat, was man sich wiederum ohne sein Wissen darum, wem er berichtete, kaum vorstellen kann. Dieses (mögliche) Verständnis legt die Formulierung "zuverlässig arbeiten" nah. Die Mitteilung, dass der Mitarbeiter der HVA von der "feindlich-negativen" Lesung noch nichts gewusst habe, weil der Antragsteller ihn wegen einer geänderten Telefonnummer "seiner Abt." "objektiv" nicht habe anrufen können (Anlagenkonvolut Ag2), verstärkt diesen Eindruck. Denn dass jemand, der lediglich "abgeschöpft" wird, aktiv Kontakt mit dem MfS aufnehmen sollte, erscheint abwegig, so dass der Verdacht, der Antragsteller habe durchaus wissentlich für die Staatssicherheit gearbeitet, nahe liegt.

Dieser Verdacht bestätigt sich weiter in den unterschiedlichen von Opelt verfassten Berichten über Zusammentreffen mit dem Antragsteller, vor und nach der Lesung. Bereits die Kontaktaufnahme, die über ein "Kennwort" erfolgt sein soll, ist verdächtig, dürften doch - jedenfalls nach hiesigem Verständnis - lediglich aktive Mitarbeiter über ein solches Kennwort verfügen, um eine heimliche Kontaktaufnahme zu gewährleisten, während dies bei einer lediglich "abgeschöpften Quelle" nicht erforderlich gewesen sein dürfte. Auch der Umstand, dass mit dem Antragsteller laut dem Bericht von Opelt vom 9.3.1984 ein "Auftrag" vereinbart worden sein soll, den der Antragsteller, wie aus den weiteren Berichten ersichtlich, inhaltlich auch umgesetzt hat, wirkt verdächtig. Wenn man schließlich das Schreiben vom 20.3.1984 der Abteilung xxxx an das xxxx, in welchem die wertvollen Hinweise des Antragstellers als "erarbeitete Informationen mit hohem operativen Wert" gelobt werden und dem Antragsteller der Dank für seine Einsatzbereitschaft und die qualitativ guten Informationen ausgesprochen wird, verstärken sich die Verdachtsmomente dahingehend, dass der Antragsteller wissentlich und willentlich als aktiver Mitarbeiter der Staatssicher "Dank für Einsatzbereitschaft" dürfte jedenfalls in aller Regel nur eigenen Mitarbeitern ausgesprochen werden und auch lediglich bei diesen - und nicht bei unter Legenden abgeschöpften DDR-Bürgern - dürfte man von "erarbeiteten Informationen" sprechen können.

Daran, dass den vorgenannten Dokumenten hinreichende Anhaltspunkte für den streitigen Verdacht zu entnehmen sind, ändern auch die Erklärungen des Antragstellers und von Opelt nichts. Zwar sind diese, wie oben im Einzelnen ausgeführt wurde, geeignet, um den Inhalt der Dokumente so weit zu erschüttern, dass sie nicht ausreichen, um entgegen den eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers und von Opelt eine wissentliche Mitarbeit des Antragstellers mit der Staatssicherheit glaubhaft machen zu können. Indessen eröffnen die Erklärungen aus Sicht der Kammer lediglich eine mögliche Interpretationsalternative für die von der Antragsgegnerin vorgelegten Dokumente; sie entziehen indessen nicht jeglichen anderen Interpretationen, die zum Teil nach dem üblichen Sprachverständnis sogar näher liegen, den Boden. Vielmehr erscheinen der Kammer die Dokumente sowohl nach der Sichtweise des Antragstellers als auch nach der Sichtweise der Antragsgegnerin "interpretierbar" zu sein. Wenn die Dokumente aber so und so zu lesen sind, dann werfen diese - auch vor dem Hintergrund der entgegenstehenden eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers und von xxxx - wenigstens den von der Antragsgegnerin erweckten Verdacht ab, dass der Antragsteller einem Stasi-Offizier wissentlich und willentlich über die Lesung im März 1984 mit Moog berichtet habe. Die Erklärungen des Antragstellers und von xxxx sind auch keineswegs in Bezug auf die vorgelegten Dokumente erschöpfend; die "Version" des Antragstellers von der Legende des Kriminalbeamten xxxx zudem durchaus die Frage auf, ob es dem Antragsteller nicht verdächtig vorgekommen sein musste, sich mit einem Kriminalbeamten - mehrfach - in einem Hotelzimmer zu treffen.

Die Antragsgegnerin durfte die vorgelegten BStU-Dokumente auch als verdachtsbegründende Belegtatsachen verwenden und - wie in der angegriffenen Berichterstattung geschehen - aus diesen zitieren. Dabei kann dahinstehen, ob die Birthler-Behörde - wie der Antragsteller vorträgt - die Aktenstücke den Vorschriften des StUG zuwider an die Presse herausgegeben hat. Denn in jedem Fall durfte die Antragsgegnerin darauf vertrauen, dass die Birthler-Behörde die entsprechenden Unterlagen in rechtmäßiger Weise, also gemäß den Vorschriften der §§ 32, 33 StUG an die Presse herausgegeben hat. Insbesondere war von der Antragsgegnerin nicht zu verlangen, die einzelnen Herausgabevoraussetzungen des StUG rechtlich vor Verwendung der herausgegebenen Unterlagen zu überprüfen, auch wenn - wie es in § 34 StUG heißt - die §§ 32 und 33 StUG für die Verwendung von Stasi-Unterlagen durch die Presse entsprechend gelten. Danach muss zwar auch die Presse grundsätzlich vor Verwendung und insbesondere vor der Veröffentlichung von Stasi-Unterlagen eine Prüfung der vorgenannten Vorschriften vornehmen. Dies kann indessen in der Regel nur dann gelten, wenn die Presse derartige Unterlagen von Dritten erhalten hat; wenn dagegen die Birthler-Behörde selbst, also diejenige Behörde, die für die Archivierung und die (Rechtsfragen der Herausgabe einzelner Dokumente) ausschließlich zuständig ist und bei der die Presse einen Herausgabeantrag zu stellen hat, wenn sie an bestimmte Dokumente gelangen will, Stasi-Unterlagen an die Presse herausgegeben hat, kann und muss sich die Presse auf deren Vorprüfung der §§ 32, 33 StUG verlassen und diese, jedenfalls für die Frage, ob sie bei Verwendung der Unterlagen gemäß § 34 StUG handelt, als richtig unterstellen dürfen, es sei denn, der Rechtsverstoß der Behörde liegt auf der Hand. Da die Prüfung der Voraussetzungen der §§ 32, 33 StUG das ureigenste Rechtsgebiet der Birthler-Behörde ist, schon weil sie allein über sämtliche Stasi-Unterlagen und damit letztlich über die erforderlichen Informationen verfügt, die eine adäquate Prüfung der §§ 32, 33 StUG überhaupt ermöglichen, wäre es geradezu anmaßend von der Presse, wenn sie diese Rechtsprüfung bei Anwendung des § 34 StUG anzweifeln und an ihre Stelle ihre eigene Prüfung der §§ 32, 33 StUG setzen wollte. Diese Sichtweise bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 23. Juni 2004 (Anlage Ast. 8 zu Anlage Ast. 9), wenn es auf S. 23 zu § 32 Abs. 3 StUG ausführt, dass auf der "zweiten Stufe", nämlich der Veröffentlichung durch die Presse, eine Zweckbindung schlechthin unmöglich sei, was aber auch dazu führe, dass jegliche Zweckbindung auf der "ersten Stufe" - der Zurverfügungstellung von Unterlagen durch die BStU an die Presse - ebenfalls illusorisch sei, da nun einmal Informationen, die der Presse zur Verfügung gestellt werden, auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Damit macht das Bundesverwaltungsgericht deutlich, dass die Prüfung der Veröffentlichungsvoraussetzungen, also die Prüfung des § 32 Abs. 3 StUG, in erster Linie der Verantwortung der Birthler-Behörde unterliegt.

An den herausgegebenen Unterlagen besteht auch kein Verwertungsverbot, das die Verdachtsberichterstattung rechtswidrig machen könnte. Selbst wenn die BStU die in Rede stehenden Unterlagen rechtswidrig an die Presse herausgegeben haben sollte, was vorliegend nicht geklärt werden muss, würde daraus kein absolutes Verwertungsverbot folgen, sondern dies würde lediglich eine besondere Interessenabwägung erforderlich machen (grundlegend BGHZ 73, 120; Soehring, Presserecht, Rz. 12.85 m.w.N.; ebenso, speziell zum StUG Bork, ZIP 92, 90, 98 f.), die vorliegend indessen angesichts des überragenden Berichtsinteresses zugunsten der Presse ausfallen müsste. Zwar müsste bei der gebotenen Interessenabwägung berücksichtigt werden, dass die den Antragsteller betreffenden Stasi-Unterlagen unter Umständen den Vorschriften des StUG zuwider herausgegeben worden sind, aber auch dies zugrundegelegt, überwiegt im vorliegenden Fall dennoch das Informationsinteresse der Allgemeinheit das Geheimhaltungsinteresse des Antragstellers: Da der Antragsteller als Spitzenkandidat der PDS im Wahlkampf fungierte, standen seine eigene Glaubwürdigkeit und die seiner Partei auf dem Spiel; im Übrigen geht es bei der Frage der Stasi-Mitarbeit auch um die generelle Frage, ob die deutsche Gesellschaft fähig ist, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten oder nicht, wofür nicht nur die Benennung der "Täter", sondern auch die Benennung Verdächtiger unerlässliche Voraussetzung ist. Dieses überragende Informationsinteresse wiegt schwerer als der - möglicherweise durch die BStU begangene - Rechtsverstoß, so dass ein Verwertungshindernis zu verneinen ist.

Die Antragsgegnerin war angesichts des vorstehend Ausgeführten freilich nicht generell von jeglicher Rechtsprüfung darüber enthoben, ob und in welchem Rahmen und in welcher Weise sie die erhaltenen Unterlagen öffentlich verwenden durfte. Vielmehr durfte sie die rechtliche Beurteilung der BStU nur im Rahmen der §§ 34 Abs. 1, 32 Abs. 3 StUG übernehmen, dagegen durfte sie sich nicht darauf verlassen, dass die Birthler-Behörde vor Herausgabe der Unterlagen darüber hinaus auch die weiteren, speziell für eine presserechtliche Verwendung einzuhaltenden allgemeinen Vorschriften hinreichend geprüft hat. Da die Beachtung der allgemeinen presserechtlichen Vorschriften vielmehr gerade in den Verantwortungsbereich der Presse fallen, hatte die Antragsgegnerin diese - wie vor jeder anderen Veröffentlichung auch - zu prüfen und durfte sich insoweit nicht, wie oben unter 1. irn Einzelnen ausgeführt worden ist, auf Wahrnehmung berechtigter Interessen verlassen und den Antragsgegner der Stasi-Mitarbeit bezichtigen, ohne hinzu zu setzen, dass insoweit lediglich ein Verdacht besteht, der sich auch als falsch herausstellen kann.

cc) Diese für eine zulässige Verdachtsberichterstattung erforderliche "offene" Darstellung hat die Antragsgegnerin hinsichtlich des in Rede stehenden Verdachts, der Antragsteller habe im März 1984 wissentlich einem Stasi-Offizier über den Verlauf der Lesung mit Christa Moog berichtet, eingehalten. Zwar lässt die Antragsgegnerin in dem streitgegenständlichen Artikel durchscheinen, dass aus ihrer Sicht mehr für eine Stasi-Mitarbeit des Antragsgegners als dagegen spricht, sie macht indessen gleichwohl für den Leser deutlich, dass es sich dabei lediglich um eine Bewertung ihrerseits handelt und dass es sich bislang nur um einen Verdacht handelt. Dies wird zum einen erreicht durch Formulierungen wie "IM-Verdacht", "offenbar" und "... soll es sich nach den Recherchen der Birthler-Behörde um ... xxxx handeln" und zum anderen durch die ausführliche Stellungnahme, die dem Antragsgegner in dem Streitgegenstand liehen Artikel eingeräumt wird und die über ein bloßes Dementi weit hinausgeht, womit ihr eine größere Glaubwürdigkeit verliehen wird. Zudem endet der Artikel mit der Formulierung, dass "schwer zu beurteilen" sei, was der Antragsteller mitbekommen hat und vor allem, welche Schlüsse er daraus gezogen hat. Auch diese Passage verstärkt die offene Darstellung, da der Autor darin selbst einräumt, dass eine Bewertung der Informationen letztlich schwer falle.

dd) Die Antragsgegnerin ist schließlich auch ihren Recherchepflichten nachgekommen. Dies galt allerdings nicht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des angegriffenen Artikels, da sie bis dahin zwar eine Stellungnahme des Antragstellers eingeholt hatte, aber im Übrigen - wie oben unter 1. a) bb) im Einzelnen ausgeführt - lediglich die Rechercheergebnisse anderer Medien ohne eigene Überprüfung wiedergegeben hatte. Sie hat indessen die zunächst fehlende Recherche im Nachhinein nachgeholt, indem sie zusätzlich zu der Stellungnahme des Antragstellers die vorgelegten Akten-Dokumente erlangt und von deren Inhalt Kenntnis genommen hat, sowie über den freien Korrespondenten. Damit war die Verdachtsberichterstattung zwar zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin ihrer Recherchepflicht zum damaligen Zeitpunkt nicht nachgekommen war, so dass dem Antragssteiler zum damaligen Zeitpunkt auch noch ein Unterlassungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin zustand. Dieser ist aber, da die Antragsgegnerin im Folgenden die Recherche nachgeholt hat, untergegangen. Denn entweder fehlt es seit der Nachholung der Recherche an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Rechtswidrigkeit des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers oder aber die nachgeholte Recherche führte zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr im Hinblick auf eine neuerliche rechtswidrige Verdachtsberichterstattung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
 

Buske                                                   xxxx                                                           xxxx

Ausgefertigt:
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg hat am 5. Juli 2005 die Berufung des Verlags der „Sächsischen Zeitung“ zurückgewiesen, die gegen ein im Eilverfahren ergangenes Urteil des Landgerichts vom 24.9.2004 eingelegt worden war. Mit diesem nun bestätigten Urteil war eine Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 30.8.2004 in den wesentlichen Punkten für rechtens erkannt worden. Die mit dem Urteil untersagte Berichterstattung vom 9. und 11.8.2004 hatte gegen den PDS-Fraktionsvorsitzenden Prof. Dr. Peter Porsch gerichtete Stasi-Vorwürfe zum Inhalt.

Das Hanseatische Oberlandesgericht, dessen schriftliche Urteilsbegründung noch aussteht, sah die umstrittene Berichterstattung als von den Grundsätzen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung nicht gedeckt an.

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 14.07.05
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