Buskeismus


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Rechtsanwalt gegen Rolf Schälike (I)

Widerspruchverfahren gegen die einstweilige Verfügung

Landgericht Hamburg

URTEIL

Im Namen des Volkes

Geschäfts-Nr.: 324 O 620/03

Verkündet am:
03.02.2004

xxxx, JHS
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

In der Sache

Rechtsanwalt xxxx,

- Antragsteller -

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte xxxx pp.,

gegen

1)    Rolf Schalike,
Bleickenallee 8, 22763 Hamburg
2)    WordLex GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführer
Rolf Schälike und Ulrich Rothe, Bleickenallee 8, 22763 Hamburg
- Antragsgegnerin -

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Helmuth Jipp,
Köppenstr. 9, 22453 Hamburg,

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24 auf die mündliche Verhandlung vom 30.1.2004 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske
den Richter am Landgericht Zink
den Richter am Landgericht Dr. Weyhe

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für Recht

I.        Die einstweilige Verfügung vom 25. September 2003 wird bestätigt.

II.       Die Antragsgegner haben auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 26. August 2002.

In dem Rechtsstreit zu dem Aktenzeichen 312 0 329/03 kam es vor der Zivilkammer 12 des hiesigen Landgerichts am 5. September 2003 zu mündlichen Verhandlung, in der der Antragsteller als Prozeßbevollmächtigter des dortigen Antragstellers anwesend war; ferner waren der Prozeßbevollmächtigte der dortigen Antragsgegnerin, der NevaMedia GmbH, Rechtsanwalt Jan T. Mohr, sowie die Geschäftsführer Ulrich Rothe und der Antragsgegner zu 1) dieses hier zur Entscheidung gestellten Verfahrens zugegen.

Über den Prozeß vor der Zivilkammer 12 berichteten die Antragsgegner im Internet wie folgt:

„Landgericht Hamburg Datum 09.09.2003
Dem Rechtsanwalt kam die Erkenntnis. RA xxxx im Gerichtssaal: ,Das war Scheisse!'

.   Der Antrag war Scheisse!

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.   Was kann man gegen das Internet tun ?

.   Wie kann man Anträge formulieren, um das Internetrecht mit dem Wunsch auf Verbot zu verbinden ?

.   Wie bringt man die vielen Rechte unter einen Hut?

Auch für die angesehene RA-Kanzlei der Gegenseite Neuland!"

Der unterstrichene Textteil „RA xxxx" war als Link ausgestaltet, der auf die persönliche Seite des Antragstellers auf der Internetseite seiner Kanzlei verwies. Für die weiteren Einzelheiten der Berichterstattung wird auf die Anlage Ast 1 a) verwiesen.

Der Antragsteller mochte diese Internetveröffentlichung der Antragsgegner nicht hinnehmen, mahnte ab (Anlagen Ast 3 und Ast 4), ohne daß die Antragsgegner innerhalb der gesetzten Frist antworteten. Daraufhin hat der Antragsteller unter Vorlage seiner eidesstattlichen Versicherung vom 19. September 2003 die einstweilige Verfügung der Kammer vom 25. September 2003 erwirkt.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegner, zu dessen Begründung sie vortragen, der Antragsteller habe in dem Verfahren bei der Zivilkammer 12 einen weitschweifigen Vortrag gehalten und dabei die Bemerkungen geäußert, wie sie Im Internet verbreitet worden seien. Der Antragsteller habe erklärt:

„Was kann man gegen das Auftreten von Herrn Schälike im Internet tun? Wie kann man denn Anträge formulieren, um dem Internet genüge zu tun. Dies ist umso schwieriger, wenn Herr Schälike sich ständig etwas Neues einfallen läßt. Wie kann das berechtigte Interesse gegen Herrn Schälike durchgesetzt werden T Dann  sei  er auf seinen Antrag zu  sprechen  gekommen  und  habe wörtlich eingeräumt: „Das war  Scheisse!"   (vgl.   eidesstattliche   Versicherungen   des Antragsgegners zu 1) vom 14. November 2003, Anlage Ag 1, und Rothe vom 4. November 2003, Anlage Ag 2, sowie Mohr vom 29. Januar 2004, Anlage Ag 3).

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Die Antragsgegner beantragen:

1. Der Beschluß des Landgerichts Hamburg vom 25.09.2003, AZ.: 324 0 620/03 wird aufgehoben.

2. Der auf ihn gerichtete Antrag vom 19.09.2003 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller beantragt, die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Der Antragsteller tritt dem Vorbringen der Antragsgegner entgegen und verteidigt den Bestand der einstweiligen Verfügung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung ist die einstweilige Verfügung der Kammer vom 25. September 2003 zu bestätigen, denn ihr Erlaß hat sich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegner als berechtigt erwiesen.

I.

Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auf der Grundlage der §§ 823 BGB, 186 StGB und 1004 BGB analog zu, denn die angegriffene Veröffentlichung verletzt ihn rechtswidrig bei bestehender Wiederholungsgefahr in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

1) Sowohl die angegriffenen Äußerungen als auch das Legen eines links zu den Internetseiten des Antragstellers in Zusammenhang mit diesen Äußerungen stellen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers dar.

a) Zunächst einmal kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden, daß der Antragsteller in der Verhandlung am 9. September 2003 vor dem Landgericht äußerte: „Das war Scheiße!". Diese, dem Antragsteller von den Antragsgegnern

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zugeschriebene Äußerung ist geeignet, den Antragsteller in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, denn der Gebrauch derartiger Kraftausdrücke im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht wird der Rezipient als gänzlich unangemessen ansehen.* Damit kommt die in das Zivilrecht transformierte Beweislastregel des §  186 StGB (vgl. dazu BGH NJW 1987, 2225 (2226) -pressemäßige Sorgfalt; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, AfP 1982, 36 (38)) zum Zuge, mit der Folge, daß es die Antragsgegner sind, die darzulegen und im Verfügungsverfahren  glaubhaft zu machen haben, daß  der Antragsteller  die Äußerung tatsächlich getan hat. Dieser Darlegungs- und Glaubhaftmachungspflicht sind die Antragsgegner nicht gerecht geworden. Die eidesstattlichen Versicherungen Rothe vom 4. November 2003 und des Antragsgegners zu 1) vom 14. November 2003   (Anlagen Ag 1 und Ag 2)  bestätigen allerdings  das  Vorbringen  der Antragsgegner, wenn es dort heißt, der Antragsteller habe wörtlich „Das war Scheiße" gesagt, und dies auf den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung bezogen. Die Darstellung  von   Rechtsanwalt  Mohr in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 29. Januar 2004 weicht von dieser Darstellung bereits nicht unbeträchtlich ab, wenn es dort zum einen heißt, dem Antragsteller sei eine derbe Charakterisierung im Sinne von „Mist", „Scheiße" oder ein ähnlicher Kraftausdruck von den Lippen gerutscht. Rechtsanwalt Mohr ist sich mithin nicht sicher, welchen Ausdruck der Antragsteller brauchte und bestätigt nicht, daß der Antragsteller äußerte: "Das war Scheiße". Zum anderen ist auch der Bezug, zu dem die Äußerung stehen sollte, nach der Erklärung Mohr nicht präzise der Gleiche wie bei Rothe und dem Antragsgegner zu 1), denn nach der eidesstattlichen Versicherung Mohr bezog sich die Äußerung darauf, daß der Antragsteller in Betracht zog, das Verfahren bei der Zivilkammer 12 zu verlieren, und nicht unmittelbar auf den zuvor gestellten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung. Nimmt man nun noch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 19. September 2003 hinzu, mit der er erklärt, er habe die Äußerung in der Verhandlung vom 9. September 2003 nicht getätigt, so kommen die Antragsgegner jedenfalls über ein non liquet nicht hinaus, mit der Folge, daß die angegriffene Äußerung als unwahr zu gelten hat. Da mit ihr unzutreffend ein Verhalten beschrieben wird, das geeignet ist, den Antragsteller in   der   öffentlichen   Meinung herabzuwürdigen, geht mit der angegriffenen Äußerung eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers einher.

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b)  Die darüber hinaus in Rede stehenden Äußerungen

. Was kann man gegen das Internet tun ?
. Wie kann man Anträge formulieren, um das Internetrecht mit dem Wunsch auf Verbot zu verbinden ?
. Wie bringt man die vielen Rechte unter einen Hut?

kommen ebenfalls als Zitate des Antragstellers daher. Daß sich der Antragsteller in der Sitzung bei der Zivilkammer 12 so geäußert hat, belegen aber bereits die von den Antragsgegnern vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel nicht. In der eidesstattlichen Versicherung Rothe (Anlage Ag 2) heißt es:

„Er" (der Antragsteller) „meinte damit seinen eigenen Antrag, der zum Erlass der einstweiligen Verfügung geführt hatte und erläuterte warum er den Antrag trotzdem gestellt hatte, sinngemäß mit u.a. folgenden Worten: ,Was kann man gegen das Auftreten von Herrn Schälike im Internet tun? Wie kann man Anträge formulieren, um dem Internet-Recht genüge zu werden, wenn Herr Schälike sich ständig etwas Neues einfallen läßt? Wie kann das berechtigte Interesse meines Mandanten gegen Herrn Schälike durchgesetzt werden?"

In der eidesstattlichen Versicherung des Antragsgegners zu 1) (Anlage Ag 1) heißt es:

„Sinngemäß erläuterte er" (der Antragsteller) "dass eine Formulierung nicht möglich wäre, denn Herr Schälike lässt sich dann etwas anderes einfallen, besorgt sich eine andere Domain. Die Erläuterungen enthielten auch rhetorische Fragen derart wie ,Was kann ich gegen das Auftreten von Herrn Schälike im Internet tun? Wie kann ich das Interesse meines Mandanten gegen Herrn Schälike durchgesetzt werden?'.

In beiden eidesstattlichen Versicherungen heißt es, der Antragsteller habe sich sinngemäß wie wiedergegeben geäußert, mithin nicht wörtlich. Die mit den eidesstattlichen Versicherungen wiedergegebenen Zitate des Antragstellers stimmen aber auch nicht mit denen überein, die die Antragsgegner verbreitet haben. So fehlt dort gänzlich die wiederholte ausdrückliche Bezugnahme auf den Antragsgegner zu 1). Es heißt in den eidesstattlichen Versicherungen beispielsweise eben nicht, daß

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der Antragsteller gleichsam ohne Bezugnahme und damit allgemein äußerte .Was kann man gegen das Internet tun?". Auch von einem „Wunsch auf Verbot" ist nicht die Rede, wie auch nicht glaubhaft gemacht worden ist, daß der Antragsteller sagte: "Wie bringt man die vielen Rechte unter einen Hut?". Auch der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt Mohr kann nicht entnommen werden, daß sich der Antragsteller wörtlich, wie von den Antragsgegnern verbreitet, geäußert hat, denn Rechtsanwalt Mohr gibt die Ausführungen des Antragstellers inhaltlich wieder, wenn er erklärt, auf die Anmerkung der Kammer habe sich der Antragsteller mit den - in der eidesstattlichen Versicherungen näher beschriebenen - Schwierigkeiten befaßt. Zitate müssen aber richtig wiedergegeben werden, mit ihnen ist ausgesprochen vorsichtig umzugehen, denn das Falschzitat ist geeignet, den Betroffenen gleichsam als Zeugen gegen sich selbst in eine Auseinandersetzung zu führen (vgl. BVerfG NJW 1980, 2070 - Epplen a.a.O., 2072 - Böll / Waiden). Vorliegend haben die Antragsgegner schon nach ihrer eigenen Darstellung den Antragsteller falsch zitiert und damit sein Persönlichkeitsrecht verletzt.

c) Und auch die Schaltung von Links auf die Internetseiten des Antragstellers im Zusammenhang mit den mit einem Verbot belegten Äußerungen verletzen den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, denn sie erhalten dadurch eine Verstärkung, indem der Antragsteller dem Rezipienten gleichsam vorgeführt wird. Damit erhält die Veröffentlichung eine prangerähnliche Wirkung nach der Maxime, hier kann man auf seinem eigenen Internetauftritt denjenigen sehen, der sich wie beschrieben in einem Gerichtsverfahren in der mündlichen Verhandlung äußert.

2) Rechtfertigungsgründe sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die Wiederholungsgefahr besteht angesichts der rechtswidrigen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers fort.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Buske                                       Zink                                         Dr. Weyhe

Kommentar von Rolf Schälike:

* Zur Rolle von Kraftausdrücken siehe den folgenden Artikel von Spiegel-Online.

* In den 5 Verhandlungstagen ab den 10.02.06 habe ich aus dem Munde des Springer-Anwalts Jörg Thomas folgendes vernommen:

- Keine "Sau" versteht es
- ins 'Gesicht geschissen'

"Mist" aus dem Munde eines Anwalts kam auch vor.

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 29.03.06
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