Buskeismus


Home    Sitemap


Landgericht Hamburg

URTEIL

Im Namen des Volkes

Geschäfts - Nr. :
324 O 646/05

Verkündet am:
13.1.2006

Heinelt, JAe
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

In der Sache

...

- Klägerin -

Prozessbevollmächtigte: ...

gegen

...

- Beklagte -

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Schweizer pp., Arabellastraße 21, 81925 München

erkennt das Landgericht Hamburg ...

für Recht:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

    Beschluss: Der Streitwert wird auf 12.333,85 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Geldentschädigung, Lizenzzahlung und Erstattung von Rechtsanwaltskosten für den Abdruck eines Fotos, das sie mit teilweise entblößter Brustwarze zeigt.

Die Beklagte berichtete im redaktionellen Teil der von ihr verlegten Wochen-Zeitschrift "Viel Spass" vom 19.4.2005 unter der Überschrift "Der Unfall der Woche" über einen Besuch der Klägerin bei der "1. Wiener Ballnacht" , einer karitativen Galaveranstaltung, die am 9.4.2005 im Berliner Ritz-Carlton-Hotel stattgefunden hatte (Anlage K 1). Die Klägerin hatte dort vor einer Gruppe von Fotografen mit dem Filmproduzenten ... getanzt. Die Klägerin trug dabei ein trägerloses Abendkleid mit einer Korsage. Der angegriffene Beitrag war mit einem Foto dieses Tanzes bebildert, dass die Klägerin frontal bei einer Drehung zeigt, bei der ihr beim Anheben des rechten Armes versehentlich das Kleid so heruntergerutscht ist, dass ein Teil ihrer rechten Brustwarze zu sehen ist. Unter dem Bild heißt es:

"... Dass bei der schwungvollen Drehung unter Brauners Führung am "Ups! Ausgerechnet bei der ,1. Wiener Ballnacht' in Berlin hüpfte ... plötzlich der rechte Busen aus ihrem wunderschönen Dekollete. Delikater Unfall, Hoheit!"

Dasselbe Foto veröffentlichte die Beklagte ferner unter der Überschrift "Maja ließ es richtig krachen" am 16.4.2005 in der ebenfalls von ihr verlegten Zeitschrift "Neue Woche". Dazu heißt es in der Bildnebenschrift:

"Ups! ... lässt nicht nur die Puppen tanzen"

und in der zugehörigen Textberichterstattung:

"... nahm sich die Aktion [die Einladung zur Ballnacht für die Stiftung ,Menschen für Menschen'] sichtlich zu Herzen und ließ den Busen blitzen."

Der Klägerin sind von der Zeitschrift "Playboy" 75.000,- € für eine Fotostrecke angeboten worden, die sei teilweise nackt zeigen sollte. Die Klägerin hat dieses und andere Angebote für Nacktaufnahmen ausgeschlagen.

Auf Aufforderung der Klägerin gab die Beklagte hinsichtlich der erneuten Verbreitung des angegriffenen Fotos Unterlassungsverpflichtungserklärungen ab (Anlagen K 3 und K 4). Auf Zahlung einer Geldentschädigung und einer Lizenzgebühr ist sie von der Klägerin vorprozessual vergeblich aufgefordert worden.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens 10.000,- € zu. Sie habe nicht gemerkt, dass ihr Kleid verrutscht sei. Die Verbreitung des angegriffenen Nacktfotos verletze ihre Intimsphäre, insbesondere im Kontext mit der "schlüpfrigen" Überschrift. Sie habe nicht damit rechnen müssen, dass ihr Oberteil verrutschen würde. Daneben könne sie die Zahlung einer Lizenzgebühr in Höhe von 1.000,- € pro Veröffentlichung verlangen. Schließlich stehe ihr für die außergerichtliche Geltendmachung der Lizenz- und Geldentschädigungszahlung ein Erstattungsanspruch in Höhe von 333,85 € zu.

Die Klägerin beantragt:

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zum Ausgleich des der Klägerin entstandenen immateriellen Schadens eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 10.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 333,85 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, wer ein schulterloses Kleid trage, müsse eben "Rutschgefahr" in Rechnung stellen.

Entscheidungsgründe:

I.)

Die Klage ist nicht begründet.

1.)

Der Klägerin steht wegen der Verbreitung der angegriffenen Fotos kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu. Die Verbreitung dieser Fotos war zwar rechtswidrig (a.), die hierdurch eingetretene Persönlichkeitsrechtsverletzung wiegt aber nicht so schwer, dass sie nur durch Zahlung einer Geldentschädigung ausgeglichen werden könnte (b.).

a.)

Die angegriffenen Fotoveröffentlichungen waren rechtswidrig.

Die Klägerin hat in die Veröffentlichung des angegriffenen Bildnisses nicht eingewilligt. Indem sie ihren Tanz mit ... vor einer Gruppe von Fotografen aufführte, erklärte sie zwar konkludent ihr Einverständnis mit einer diesbezüglichen Presse-Bildberichterstattung. Dieses Einverständnis erstreckte sich jedoch ersichtlich nicht auf Aufnahmen der angegriffenen Art, auf denen durch ein versehentliches Verrutschen der Kleidung gemeinhin als intim empfundene Körperregionen sichtbar sind.

Die Veröffentlichung des Bildnisses ist auch nicht gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gerechtfertigt. Zwar ist die "1. Wiener Ballnacht" als Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Der Verbreitung des Bildes stehen aber überwiegende berechtigte Interessen der Klägerin im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG entgegen. Im Rahmen der Rechtsgüterabwägung ist insoweit allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin zum Zeitpunkt der Entstehung des angegriffenen Bildes in der Öffentlichkeitssphäre bewegte, d.h. in einem Bereich, in dem sie sich - vermittelt über die Medien - der Öffentlichkeit bewusst zugewandt hatte, denn sie ließ sich während des Tanzes mit ... bewusst von den umstehenden Journalisten ablichten. Veröffentlichungen aus der Öffentlichkeitssphäre muss der Betroffene regelmäßig hinnehmen (Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 78). Dies gilt grundsätzlich auch für Aufnahmen, die ihn unvorteilhaft oder bei einem Missgeschick zeigen. Zwar wird ein öffentlicher Auftritt vor Pressefotografen regelmäßig mit dem Wunsch verbunden sein, nur in einem "günstigen Licht" abgebildet zu werden. Wer sich der Öffentlichkeit präsentiert, muss es aber auch hinnehmen, wenn in diesem Zusammenhang Fehltritte dokumentiert werden, denn es besteht grundsätzlich ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit daran, nicht nur über geglückte, sondern auch über möglicherweise missglückte Versuche der medialen Selbstdarstellung informiert zu werden.

Gleichwohl fällt vorliegend die Abwägung zu Lasten der Freiheit der Bildberichterstattung aus. Ausschlaggebend ist insoweit, dass die Abbildung der (teilweise) entblößten Brustwarze einer Frau nach dem sittlichen Empfinden der Allgemeinheit weiterhin grundsätzlich der Intimsphäre zuzurechnen ist, wenngleich zu konstatieren ist, dass das Zeigen unbekleideter weiblicher Brustwarzen in der Öffentlichkeit immer weniger als nennenswerter Tabubruch wahrgenommen wird. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass diese Sphäre grundsätzlich auch dann gewahrt wird, wenn sie sie im Rahmen eines öffentlichen Auftrittes durch eigene Ungeschicklichkeit preisgibt. Öffentliche Auftritte wären mit einem unzumutbaren Risiko verbunden, wenn der Betroffene hinnehmen müsste, dass jedes auch noch so kompromittierende Missgeschick der Medienöffentlichkeit im Bild präsentiert wird.

b.)

Ein Anspruch auf Geldentschädigung besteht jedoch trotz der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung nicht. Dieser Anspruch kommt nur dann in Betracht, wenn ein so schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliegt, dass bei Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung zu bejahen ist (vgl. BGH NJW 1996, 985f; OLG Koblenz NJW 1997, 1375f; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4.Aufl., RZ.14.95; Soehring, Presserecht, 2.Aufl., RZ.32.20). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Insoweit war anknüpfend an die obigen Ausführungen zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei verschiedenen öffentlichen Anlässen ganz bewusst in Kleidern aufgetreten ist, die weite Teile ihrer Brust unbedeckt ließen: Ihr Kleid bei der ,,1. Wiener Ballnacht" war so geschnitten, dass es erst unmittelbar über den Brustwarzen ansetzte und den gesamte darüber liegenden Bereich der Brüste unbedeckt ließ; bei anderen öffentlichen Veranstaltungen präsentierte sie sich den Pressefotografen in Kleidern, die u.a. eine fast komplette Seitenansicht ihrer Brüste zuließen (vgl. hierzu das Anlagenkonvolut B 1 im Parallelverfahren zum Az. 324 O 640/05). In der Gesamtschau hat sie damit der Öffentlichkeit - wenn auch verteilt auf verschiedene Anlässe - den ganz überwiegenden Teil der 'Oberfläche ihrer Brüste vorgeführt. Sie kann vor diesem Hintergrund Bilder, die einen Teil ihrer rechten Brustwarze offenbaren, nicht in gleichem Maße als verletzend empfinden, wie eine Frau, die bei öffentlichen Veranstaltungen stets in Bekleidung auftritt, die ihre Brüste vollständig oder jedenfalls weitgehend bedeckt.

Zu berücksichtigen war ferner, dass der Klägerin hinsichtlich des Verrutschens ihres Kleides ein Mitverschuldensvorwurf im Sinne des § 254 BGB zu machen ist. Mag ihr auch ein derartiges Missgeschick in diesem oder in ähnlichen Kleidern zuvor nicht unterlaufen sein, musste ihr doch klar sein, dass der außerordentlich knappe Schnitt ihres trägerlosen Kleides die Gefahr mit sich brachte, dass durch das schwungvolle Hochstrecken eines Armes das Kleid im Brustbereich um einige Zenitmeter nach unten rutschen könnte.

In der Gesamtschau dieser Erwägungen liegt die eingetretene Persönlichkeitsrechtsverletzung unterhalb der für den Geldentschädigungsanspruch erforderlichen Schwelle.

2.)

Auch ein Anspruch auf Zahlung einer Lizenzgebühr steht der Klägerin nicht zu. In Betracht kommt dieser Anspruch nur in Fällen, in denen die Erlaubnis des Rechteinhabers üblicherweise von der Zahlung eines Entgelts abhängig gemacht wird (BGHZ 20, 345, 358). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor: Für Nacktaufnahmen werden Lizenzgebühren üblicherweise gezahlt, wenn sich das jeweilige Model gezielt für diese Aufnahmen zur Verfügung stellt. Hier liegt es aber so, dass die Klägerin gerade zu verstehen gegeben hatte, mit einer lizenzfreien Veröffentlichung der Fotos ihres Tanzes mit ... einverstanden zu sei. Diese Einwilligung erstreckte sich zwar - wie ausgeführt - nicht auf Aufnahmen, auf denen ihre unbedeckte Brustwarze sichtbar war. Das Verrutschen des Kleides vermochte aber nicht innerhalb der lizenzfreien Situation des Tanzes für den Augenblick, in dem die Brustwarze der Klägerin sichtbar war, eine lizenzpflichtige Situation entstehen zu lassen, denn allein die Rechtswidrigkeit einer Veröffentlichung indiziert nicht deren Lizenzpflichtigkeit.

3.)

Für die außergerichtliche Aufforderung zur Zahlung von Geldentschädigung und der Lizenzgebühr kann die Klägerin keine Gebührenerstattung verlangen, da sie diese Ansprüche aus den oben ausgeführten Gründen zu Unrecht geltend gemacht hat.

II.)

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO. ...

Bitte senden Sie Ihre Kommentare an Rolf Schälike
Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 21.06.06
Impressum