Buskeismus


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Verhandlungsbericht - 16.02.07

Landgericht Hamburg

URTEIL

Im Namen des Volkes

Geschäfts-Nr.
324 O 894/06
Verkündet am:
30.03.2007
In der Sache

Frau Desirée Nick

 
  - Antragsteller -
 
Prozessbevollmächtigte RA Moser pp.
RAIn Bezzenberger
 
gegen
 
CDU Landesverband Berlin  
  - Antragsgegnerin -
 
Prozessbevollmächtigte RA Kalckreuth
RA Graf von Kalkreuth
   

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24,
im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze eingereicht werden konnten
bis zum 16.02.2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske
den Richter am Landgericht Zink,
den Richter am Landgericht Dr. Korte

für Recht:

I.) Die Klage wird abgewiesen.

II.) Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III.) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 10.000,– Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Geldentschädigung sowie die Erstattung von Abmahnkosten für die Verwendung ihres Bildnisses in einem Wahl-Werbespot.

Die Klägerin ist Kabarettistin und Schauspielerin. Sie ist mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, K., befreundet. Im Jahr 2004 tauschte sie mit ihm auf der "Berliner AIDS-Gala" einen Zungenkuss aus, worüber in den Medien berichtet wurde. Auf ihrer Internetseite "www.d.de" hielt die Klägerin ein Interview mit der Zeitung "Der Tagesspiegel" zum Abruf bereit (Anlage B 2), in dem sie auf die Frage

K. hat mal aus einem roten Schuh von Ihnen Champagner getrunken und einen Zungenkuss mit Ihnen getauscht. Der Regierende behauptet, privat seien Sie eher introvertiert, leise.

wie folgt antwortete:

Richtig. Dann arbeite ich ja nicht. Wenn ich meinen Beruf ausübe, kann ich ja schlecht schweigen.

Der Beklagte zu 2.) war im Jahr 2006 bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl Kandidat der Beklagten zu 1.) für das Amt des Bürgermeisters. Im Rahmen des Wahlkampfes verbreiteten die Beklagten im Lokalfernsehen bzw. im Internet einen Werbespot mit dem Titel "Der Knüller", in dem ein imaginäres Arbeitszimmer des auch damals schon regierenden Bürgermeisters K. gezeigt wurde. Darin lagen in großer Unordnung unbearbeitete Akten, diverse Einladungskarten für Partys und Veranstaltungen sowie eine CD der Techno-Veranstaltung "Love Parade" herum. Auf dem Schreibtisch standen u. a. eine geleerte Champagnerflasche, ein roter Damenschuh sowie ein gerahmtes Foto der Klägerin (Anlage K 1).

Die Beklagten haben wegen dieser Bildnisverwendung, in die die Klägerin nicht eingewilligt hatte, auf deren Aufforderung Unterlassungsverpflichtungserklärungen abgegeben (Anlagen K 3 und 5) und Abmahngebühren erstattet.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, wegen der unbefugten Nutzung ihres Bildnisses zu Werbezwecken könne sie von den Beklagten neben der Erstattung weiterer Abmahnkosten eine Geldentschädigung verlangen. Durch den Werbespot werde sie einer bestimmten politischen Richtung zugeordnet. Die unzulässige Nutzung ihres Bildnisses in Verbindung mit politischer Wahlwerbung verletze schon nach Art des Eingriffs in schwerwiegender Weise ihr Persönlichkeitsrecht. Sie sei am politischen Wahlkampf völlig unbeteiligt. Ihre private Bekanntschaft mit K. mache sie nicht zu einer politischen Person. Sie werde dem Spott politischer Gesinnungsfreunde ausgesetzt.

Die Klägerin beantragt,

1.) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie zum Ausgleich des ihr entstandenen immateriellen Schadens eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 10.000,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2.) den Beklagten zu 1.) zu verurteilen, an sie 301,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3.) den Beklagten zu 2.) zu verurteilen, an sie 278,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie vertreten die Ansicht, die Klägerin sei in dem Werbespot kaum erkennbar. Jedenfalls sei die angegriffene Bildnisveröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KUG gerechtfertigt.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 2.3.2007 hat die Klägerin weiter vorgetragen, zu dem Kuss mit K. auf der Aids-Gala sei es erst spät am Abend gekommen, als sie davon ausgegangen seien, dass keine Fotografen mehr anwesend seien. K. habe auch niemals aus einem ihrer Schuhe Champagner getrunken. Er habe lediglich einmal im Jahr 2003 mit einem Schuh, der nicht ihr gehört habe, und einer Champagnerflasche posiert.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.)

Die Klage ist unbegründet.

1.)

Der Klägerin steht der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht zu. Er folgt weder aus § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 22, 23 KUG noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag, denn der angegriffene Wahlwerbespot verletzt nicht das Recht der Klägerin am eigenen Bild.

a.)

Zwar ist die Klägerin erkennbar. Der angegriffene Wahlwerbespot zielt ersichtlich darauf ab, in humoristisch-satirischer Form die Aussage zu treffen, dass sich K. in übertriebenem Maße gesellschaftlichen Vergnügungen hingebe und darüber seine Dienstpflichten vernachlässige. Vor diesem Hintergrund ist die in dem Spot enthaltene Kamerafahrt darauf angelegt, dass der Zuschauer die in dem imaginären Büro abgelegten und abgestellten Objekte einzeln in den Blick nimmt, um ihnen im Hinblick auf die Gesamtaussage des Werbespots eine Bedeutung zuzuweisen. So wird dem durchschnittlichen Zuschauer auch nicht entgehen, dass auf dem Schreibtisch ein Foto der Klägerin steht, und dass damit – ebenso wie mit dem roten Schuh und der geleerten Champagnerflasche – auf die Beziehung ... zu der Klägerin angespielt werden soll.

b.)

Die Veröffentlichung des Bildnisses der Klägerin war jedoch gerechtfertigt.

aa.)

Zwar ist der Rechtfertigungstatbestand des § 23 I Nr. 2 KUG nicht erfüllt. Voraussetzung hierfür wäre, dass aus der Sicht des unbefangenen Betrachters die abgebildete Örtlichkeit – hier also das imaginäre Büro ... – den eigentlichen Gegenstand der Abbildung ausmacht und die Person – hier also die Klägerin – darin nur zufällig mit abgebildet ist (BGH, NJW 1961, 558, 558 f.). Das ist nicht der Fall. Der durchschnittliche Zuschauer wird das Foto der Klägerin vielmehr aus den oben ausgeführten Gründen als mit Bedacht ausgewählten Bestandteil der sorgsam gestalteten Bildkomposition auffassen.

bb.)

Erfüllt ist aber § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, denn die Klägerin ist vorliegend als "relative Person der Zeitgeschichte" anzusehen. Darunter versteht man Personen, bei denen das öffentliche Interesse an ihrem Bildnis aus ihrer Verbindung mit einem bestimmten "zeitgeschichtlichen Ereignis" folgt. In Betracht kommt insoweit jedes Geschehen, das aus dem Bereich alltäglicher Vorgänge herausragt. Als zeitgeschichtliches Ereignis in diesem Sinne war vorliegend die Berliner Abgeordnetenhauswahl 2006 anzusehen. Zu diesem Ereignis stand die Klägerin deshalb in hinreichend enger sachlicher und zeitlicher Verbindung, weil K. seine freundschaftliche Beziehung zu ihr während seiner damaligen Amtszeit durch den Zungenkuss bei der "Berliner AIDS-Gala" 2004 in einer – jedenfalls gemessen am Verhalten anderer Politiker – durchaus ungewöhnlichen Weise öffentlich zur Schau gestellt hatte, zumal er gerichtsbekannt öffentlich erklärt hat, homosexuell zu sein. Der Austausch dieses Kusses mag zwar zu später Stunde stattgefunden haben, als viele Gäste und Fotografen bereits gegangen waren. Das ändert aber nichts daran, dass es sich bei der "Aids-Gala" um eine klassische Repräsentationsveranstaltung handelte. Hierauf spielt der angegriffene Werbespot – wie ausgeführt – an. Die Frage, mit wem und in welcher Weise sich K. in der Öffentlichkeit präsentierte, war schon deshalb Gegenstand eines berechtigten öffentlichen Interesses, weil die Repräsentation nach außen zu den Kernaufgaben eines Bürgermeisters zählt. Schließlich lag zwar der Kuss auf der Aids-Gala zum Zeitpunkt der Ausstrahlung des angegriffenen Werbespots bereits etwa 2 Jahre zurück. Das ist aber im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG jedenfalls deshalb unschädlich, weil ein berechtigtes Interesse daran besteht, in Wahlwerbespots das öffentliche Verhalten des politischen Gegners über längere Zeiträume hinweg zu kommentieren.

cc.)

Berechtigte Interessen der Klägerin im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG standen der Bildnisveröffentlichung nicht entgegen. In der Rechtsgüterabwägung überwiegt das Interesse der Beklagten an der Verwendung des Bildnisses der Klägerin in dem angegriffenen Werbespot.

Die Beklagten können sich insoweit auf den durch Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG verstärkten Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG berufen. Auch Werbung genießt den – ggf. in die Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eingebetteten – Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, sofern sie einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat (zu Wirtschaftswerbung vgl. BVerfG, 1 BvR 1762/95 vom 12.12.2000, Absatz-Nr. 40, http://www.bverfg.de/). Dies gilt umso mehr, wenn sie nicht lediglich kommerziellen Zwecken dient, sondern – wie vorliegend – im politischen Wahlkampf eingesetzt wird, weil sonst die Meinungsfreiheit, die Voraussetzung eines freien und offenen politischen Prozesses ist, in ihrem Kern betroffen wäre. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht (E 61, 1, 11 f.) ausgeführt:

Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit; dies geschieht namentlich durch Beteiligung an Wahlen, die in der parlamentarischen Demokratie die wichtigste Form jener Willensbildung sind (vgl. BVerfGE 52, 63 (82)). Da das geltende Wahlrecht für die Vorbereitung und Durchführung von Wahlen politische Parteien voraussetzt, sind diese vor allem auch Wahlvorbereitungsorganisationen (vgl. BVerfGE 8, 51 (63)). Sie nehmen die ihnen durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG gestellte, von § 1 Abs. 1 Satz 2 des Parteiengesetzes als "öffentliche" bezeichnete Aufgabe wahr, indem sie den eigentlichen Wahlakt als Akt demokratischer Legitimation der das Volk repräsentierenden Organe vorbereiten (vgl. auch § 1 Abs. 2, § 2 PartG). Diese Aufgabe verträgt als eine wesensgemäß politische prinzipiell keine inhaltlichen Reglementierungen, wenn anders sie nicht um eine ihrer Grundvoraussetzungen gebracht werden soll. Soweit es sich um Auseinandersetzungen zwischen politischen Parteien in einem Wahlkampf handelt, ist deshalb Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG für die Zuordnung von Meinungsfreiheit und beschränkenden Gesetzen von wesentlicher Bedeutung: Er verstärkt die Vermutung für die Zulässigkeit freier Rede mit der Folge, dass gegen das Äußern einer Meinung nur in äußersten Fällen eingeschritten werden darf.

Diese Ausführungen beanspruchen auch für die Verwendung von Personenbildnissen in Wahlwerbespots Geltung, wenn dadurch – wie vorliegend – eine für die politische Willensbildung relevante Meinungsäußerung transportiert wird.

Demgegenüber hat das Interesse der Klägerin, nicht ohne ihre Zustimmung in dem angegriffenen Wahlwerbespot vereinnahmt zu werden, zurückzutreten. Soweit in dem Spot auf sie angespielt wird, hat sie sich durch ihr eigenes Verhalten ihres Persönlichkeitsschutzes in erheblichem Maße begeben. Den Zungenkuss mit K. tauschte sie in der Öffentlichkeitssphäre aus, nämlich auf einer Gala, bei der sie – auch zu später Stunde – zumindest damit rechnen musste, unter der Beobachtung der Öffentlichkeit zu stehen. Der Klägerin muss auch klar gewesen sein, dass dieser Kuss ein erhebliches öffentliches Interesse auf sich ziehen würde. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang ferner, dass in dem "Tagesspiegel"-Interview, das sie auf ihrer Internetseite eingestellt hat, nicht nur der Zungenkuss mit K. Erwähnung findet, sondern auch behauptet wird, W. habe aus ihrem Schuh Champagner getrunken, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, obwohl kein Grund ersichtlich ist, warum ihr dies nicht ohne Weiteres möglich gewesen sein sollte. Damit hat die Klägerin nicht nur den Zungenkuss, sondern auch die Geschichte mit dem roten Schuh zumindest mittelbar zu Zwecken der öffentlichen Selbstdarstellung eingesetzt.

Schließlich wird die Klägerin in dem angegriffenen Werbespot auch nicht abfällig dargestellt. Vielmehr wird von ihr lediglich ein neutrales Porträtfoto gezeigt. Dass der Klägerin durch den Spot eine bestimmte politische Gesinnung unterstellt würde, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen. Ihre Person steht in dem Spot vielmehr – wie oben ausgeführt – gerade stellvertretend für die außer politischen Aktivitäten K. s, deretwegen er seine politischen Pflichten vernachlässige. Insofern lässt sich dem Werbespot lediglich die Aussage entnehmen, dass sich W. der Klägerin privat eng verbunden fühle. Dass die Klägerin mit K. befreundet ist, betont sie aber auch selbst in der Presse (vgl. hierzu Anlage B 1).

2.)

Mangels Persönlichkeitsrechtsverletzung besteht somit auch kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung.

II.)

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

     Buske                                          Zink                                               Dr. Korte

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 10.05.08
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